Sind die Ergebnisse der Mathe-Matura wirklich so schlecht wie befürchtet, stellt sich die Frage nach dem Wieso.

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Man ist es schon gewohnt: Kaum ist die schriftliche Mathematikmatura vorbei, schon wird von allen Seiten beurteilt, ob die Matura zu schwer, zu leicht oder gar überhaupt unnötig sei. Das ist man schon gewohnt. Selten allerdings kommt es vor, dass man – so wie dieses Jahr – nahezu ausschließlich negative beziehungsweise besorgte Meinungen zu hören bekommt.

Die Zeitungen schreiben von "großer Empörung", manche Gymnasien fürchten gar, die Hälfte ihrer Maturanten könnte durchgefallen sein. Außerdem seien die Aufgaben "ganz anders" als die auf der Bifie-Übungsseite gewesen. Ob dieser Meldungen machte sich bei mir Erstaunen breit. Sollte das Niveau der Matura tatsächlich innerhalb eines Jahres derart angehoben worden sein? Denn auch im Vorjahr gab es Unkenrufe; jedoch bei weitem nicht so zahlreich, und die meisten davon erfüllten sich (glücklicherweise) nicht.

Ab an den Selbstversuch

Da ich gerade etwas Zeit übrig hatte, schritt ich zum Selbstversuch. Taschenrechner war leider gerade keiner bei der Hand, es musste der im Laptop integrierte ausreichen. Dann noch schnell Teil eins ausgedruckt, Stoppuhr gestartet und los.

18 Minuten später war ich ziemlich erstaunt. Nach all den Schreckensmeldungen hatte ich mich darauf eingestellt, zumindest bei manchen Beispielen Probleme zu haben. Dem war jedoch nicht so. Gut, es gab immer noch die Option, dass ich mich einfach verrechnet hatte. Daher schickte ich die Lösung an zwei befreundete Mathematiker und bat sie um eine Bewertung. Beide waren sich einig: Alleine durch Teil eins wäre ich mindestens auf ein sehr gutes Genügend gekommen.

Wie kommt das?

Einer dieser Mathematiker merkte daraufhin an, dass ich Mathematik immer mochte und gut damit zurechtkam, weswegen man mich wohl nicht als repräsentativ betrachten dürfe. Daher schickte ich das Aufgabenheft an einen meiner Freunde, der ebenfalls 2015 maturiert hatte, jedoch rein gar nichts für Mathematik übrig hat. Auch er bestand ohne Probleme. Wir beide waren uns einig, dass viele der Beispiele sehr jenen ähnelten, die wir im vergangenen Jahr zur Reifeprüfung lösen mussten. Und auch die anderen waren durchaus in ähnlicher Form auf der Bifie-Seite zu finden.

Wieso dann die schlechten Noten?

Zuerst vorweg: Bis jetzt kennt keiner des Maturajahrgangs 2016 seine offizielle Note. Man hat nur "davon gehört". Aber auch oder gerade falls die Ergebnisse wirklich so schlecht sind wie befürchtet, stellt sich die Frage nach dem Wieso. Auch wenn man damit vermutlich einigen Maturanten auf die Zehen steigt: Am Übungsmaterial lag es nicht.

Die Beispiele auf der Bifie-Homepage sind schon extrem nah an einigen der Maturabeispiele dran. Ungefähr Zwei Drittel der Aufgaben waren absolute 08/15-Beispiele (grafische Vektor-Addition, lineare Gleichungen aufstellen, Ableitungen erkennen), die teilweise leicht verändert wurden; jedoch kann man diese beim besten Willen nicht als schwer bezeichnen. Ja, man muss die Angabe lesen, gerade bei dem Beispiel mit den Vektoren. (Nur weil es nachher ein hübsches Dreieck ergibt, ist es nicht die richtige Lösung.) Jedoch sollte das zu schaffen sein.

Neues "Horrorfach"

Aber wenn es nicht an den Beispielen lag, woran dann? An den Schülern? Den Lehrern? Den Eltern? Dem "System"? Wohl an allen. Mathematik war schon immer "das Angstfach". Jedoch hat es sich in den vergangenen Jahren für viele zu einem absoluten Horror entwickelt. Nicht, weil es so schwer ist. Wenn man sich auf das mittlerweile gar nicht mehr so neue System einlässt, sind die Beispiele definitiv machbar.

Jedoch konnte man in den vergangenen zwei Jahren eines beobachten: Manche Lehrer haben Angst vor dem neuen System oder lehnen es einfach grundsätzlich ab. Diese Angst oder Ablehnung geben sie dann an ihre Schüler weiter. ("Mit dieser neuen Matura tut's ihr mir echt leid, da hättet ihr es mit der alten einfacher gehabt!") Die wiederum klagen ihren Eltern ihr Leid, die sich daher bei den Lehrern über diese schrecklich schwere Matura beschweren. So schließt sich der Kreis, und alle werden mit der Zeit immer ängstlicher, grantiger und ablehnender. Kein Wunder, wenn dann bei der Matura nicht das gewünschte Ergebnis herauskommt.

Wacht auf!

Daher ein Appell an alle Schüler, Eltern und auch Lehrer: Wacht auf! Die neue Matura ist da. Sie wird auch in den nächsten Jahren nicht mehr verschwinden. Und: Sie ist schaffbar. Als jemand, der auch Nachhilfe gibt, erlebt man immer wieder Schüler, die total verzweifelt kommen, weil sie meinen, keine Chance bei der Matura zu haben. Nach ein paar Stunden gemeinsamer Arbeit stellen sie dann meistens fest: "He, das kann ich ja eigentlich eh!" Und so ist es vermutlich auch: Viele, wenn nicht sogar fast alle könnten es "eigentlich eh". Sie reden sich nur so lange ein, dass die Matura nicht schaffbar sei. Und irgendwann glaubt man das dann selbst. (Sebastian Hopfmüller, 23.5.2016)