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Malmströms Transparenzoffensive ist eine Mogelpackung, kritisiert Attac-Obfrau Strickner.

Foto: EPA/THIERRY MONASSE

"Wenn es uns gelingt, die Österreicher zu überzeugen, dass wir in der Lage sind, Risiken zu beseitigen, dann können wir ganz Europa überzeugen." Mit diesen Worten ließ EU-Kommissionsvizepräsident Frans Timmermans am 4. Dezember in Brüssel aufhorchen. Wenig verwunderlich also, dass sich die neue EU-Handelskommissarin Cecilia Malmström wenig später zu einer TTIP-Werbetour nach Österreich aufmacht: Dienstag diskutierte sie unter anderem mit österreichischen Parlamentarierinnen und Parlamentariern sowie ausgewählten Vertreterinnen und Vertretern der Zivilgesellschaft. STANDARD-Chefredakteurin Alexandra Föderl-Schmid moderierte eine Podiumsdiskussion mit der EU-Handelskommissarin (Interview: Österreichs Regierung muss Bürger überzeugen).

Mehr Schein als Sein

Seit ihrem Amtsantritt versucht Malmström vor allem eines: den Anschein zu erwecken, sie nähme die Anliegen und Sorgen der europäischen Bürgerinnen und Bürger ernster als ihr Vorgänger, was tatsächlich nicht schwer fallen dürfte. Malmströms "Neujahrsgeschenk" war die Veröffentlichung einiger TTIP-Verhandlungsdokumente – inklusive Leseanleitung für Nichtsachkundige. Dass sich die EU-Kommission aufgrund des immer breiteren, europaweiten Widerstands und der zivilgesellschaftlichen Informationsarbeit gezwungen sieht, immer mehr Dokumente publik zu machen, ist erfreulich und zeigt, dass sich Widerstand und Engagement lohnen. Doch die als "Transparenz-Offensive" verkaufte Veröffentlichung von Verhandlungsdokumenten entpuppt sich bei genauerer Analyse als Mogelpackung.

Der Großteil der Anfang Jänner veröffentlichten Dokumente (mehr als 30) sind Factsheets und EU-Positionspapiere zu verschiedenen Themen. Nur sechs der neu veröffentlichten Texte sind echte Verhandlungsdokumente. Doch selbst dabei handelt es sich großteils um nahezu ein Jahr alte Textvorschläge, die der EU als Verhandlungsbasis gegenüber den USA dienten. Der aktuelle Verhandlungsstand zu den jeweiligen Kapiteln bleibt weiterhin ein Geheimnis und die wichtigsten Informationsquellen für die Zivilgesellschaft bleiben weiterhin geleakte Geheimdokumente.

Schiedsgericht-Konsultation ist eine Farce

Ein wichtiges Anliegen ihres Wien-Besuches ist der Widerstand gegen die in TTIP und im geplanten Abkommen mit Kanada (Ceta) vorgesehenen privaten Schiedsgerichte für Konzerne. Aufgrund der massiven Kritik an diesem Instrument hatte die EU-Kommission von Mai bis Juli 2014 eine Befragung durchgeführt, an der Einzelpersonen, Organisationen und Unternehmen teilnehmen konnten. Nahezu 90 Prozent der mehr als 150.000 Beteiligungen sprachen sich klar gegen private Schiedsgerichte für ausländische Investoren in TTIP aus. Welche Konsequenzen zieht daraus Handelskommissarin Malmström? Anstatt den Investorenschutz in TTIP und Ceta ad acta zu legen, kündigt sie einen weiteren Konsultationsprozess über Reformvorschläge mit den Regierungen der Mitgliedsländer, dem EU-Parlament und verschiedenen Interessensgruppen an. Damit bestätigen sich die anfänglichen Befürchtungen der Zivilgesellschaft und vieler Bürgerinnen und Bürger: Sie werden nicht ernst genommen, der "Beteiligungsprozess" ist eine Farce. Malmström scheint alles unternehmen zu wollen, um private Schiedsgerichte in TTIP zu retten.

Märchen vom Jobwunder

Eine weitere zentrale Botschaft Malmströms bleibt das Märchen vom Jobwunder, welches die Umsetzung von TTIP (und Ceta) nach sich ziehen würde. Doch völlig konträr dazu zeigen alle bisher verfassten Studien, dass TTIP zu keinen nennenswerten positiven gesamtwirtschaftlichen Effekten führt - im Gegenteil. Unabhängige Studien, die auch die Kosten dieser Abkommen in den Berechnungen berücksichtigen, verweisen auf hunderttausende Arbeitsplätze, die verloren gehen und zum Teil schrumpfende Einkommen. In der Nordamerikanischen Freihandelszone ist genau das passiert: Das Anfang der 90er Jahre durch Nafta versprochene Job- und Wohlstandswunder fand nie statt. Hundertausende gut bezahlter Jobs wurden vernichtet. Gekommen sind prekäre, schlechtbezahlte Jobs in den USA, Kanada und Mexiko.

Bleibt das Versprechen der Kommission, dass TTIP keine Standards in der EU senken wird. Vergessen wird dabei zu erwähnen, dass mittelfristig der Druck der Produzenten die jeweiligen Standards zu senken (oder deren Senkung zu fordern) natürlich enorm sein wird, wenn billige Produkte Marktzugang erhalten.

In Summe bleibt von der Überzeugungskampagne der neuen EU-Kommissarin nicht mehr übrig als eine Charmeoffensive ohne Substanz. (Alexandra Strickner, derStandard.at, 20.1.2015)