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Dietrich Mateschitz gibt Servus TV auf.

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Das Scheitern lässt sich nicht mit dem Markt und dessen Wandel erklären, analysiert Josef Trappel.

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Eines ist Dietrich Mateschitz nicht zum Vorwurf zu machen: Er sei zu wenig entscheidungsfreudig. Kurz entschlossen zieht der Red-Bull-Milliardär einen tiefroten Strich unter sein privates Fernsehabenteuer. Mit seinem feinen Fingerspitzengefühl für subtile Botschaften hat er für die Ankündigung des Endes von Servus TV nicht irgendeinen Tag ausgesucht, sondern ausgerechnet den Internationalen Tag der Pressefreiheit. Das Signal ist nicht zu übersehen: Wann die Medien- und Pressefreiheit endet, entscheiden die Eigentümer.

Wie groß ist der Verlust?

Mit Servus TV verliert die österreichische Privatfernsehlandschaft einen gewichtigen Sender. Immerhin beschäftigt Servus TV mehr als 240 Mitarbeitende und hat in den letzten Jahren zahlreichen Nachwuchskräften einen Einstieg ins Medienbusiness ermöglicht. Der Sender hat mit Programm hoher Qualität auf sich aufmerksam gemacht. Filme, Dokumentationen und Diskussionssendungen orientierten sich an Maßstäben, die sonst an große und öffentlich finanzierte Sender angelegt werden. Da hat Servus TV sehr gut abgeschnitten.

Das Publikum allerdings hat sich Servus TV standhaft verweigert. Bei einem Marktanteil von zuletzt 1,7 Prozent haben gerade einmal 123.000 Zuschauerinnen und Zuschauer regelmäßig bei Servus TV hereingeschaut. Auch "Servus Krone" in Zusammenarbeit mit der "Kronen Zeitung" ist beim Publikum durchgefallen.

Und doch geht nach knapp zehn Jahren mit Servus TV mehr verloren als nur ein Sender. Verloren geht der Tatbeweis, dass in einem kleinen Land wie Österreich hohe Fernsehqualität auch von privaten Veranstaltern erbracht werden kann, und nicht nur vom gebührenfinanzierten öffentlichen Rundfunk. Das glanzlose Ende von Servus TV beweist nun eher das Gegenteil – dass selbst mit großzügiger finanzieller Rückendeckung ein solcher Sender nicht nachhaltig betrieben werden kann. An handwerklichem Können ist Servus TV nicht gescheitert. Woran aber dann?

Risiko Mogul-TV

Für einmal lässt sich das Scheitern eines Mediums nicht mit dem Markt und dessen Wandel erklären. Denn Servus TV musste sich nie ernsthaft auf dem Fernsehmarkt behaupten. Vielmehr stand der branchenfremde Süßgetränkekonzern Red Bull für die auflaufenden Verluste gerade. Nur so konnte sich Servus TV die kostspieligen Produktionen leisten. Dafür bezahlt haben weder die Zuschauer noch die werbungtreibende Wirtschaft. Von Marktverhältnissen kann also nicht die Rede sein. Gescheitert ist Servus TV vielmehr an der Hand des eigenen Eigentümers, die nun nicht mehr bereit ist, den Sender weiterzufüttern. So erfreulich der Beitrag von Servus TV zur Medienvielfalt auch ist, so dramatisch ist dessen Nachhaltigkeitsrisiko.

Auf dieses Risiko weist die kommunikationswissenschaftliche Forschung schon lange hin. Mogul-Medien im Eigentum von branchenfremden Unternehmen sind zwei enormen Risiken ausgesetzt: Erstens der Einflussnahme der Eigentümer auf die redaktionellen Inhalte. So hat der Unternehmer Silvio Berlusconi seine politische Karriere mit dem redaktionellen Zugriff auf "seine" Mediaset-Fernsehsender (und später auf die RAI) durchgesetzt. Risiko zwei: die Abhängigkeit von den Launen der Eigentümer und der Wirtschaftlichkeit von deren Kerngeschäft. Al Jazeera leidet aktuell darunter, dass Geldgeber Katar aufgrund der tiefen Ölpreise die Sparschraube brutal anzieht. Unabhängig davon, wie gut (oder schlecht) die Berichterstattung auf Al Jazeera ausfällt.

In diesem Sinne ist auch Servus TV ein Mogul-Sender. Selbst wenn sich dem Vernehmen nach Dietrich Mateschitz nicht direkt in die Arbeit der Redaktion eingemischt hat (Risiko eins), so fällt der Sender jetzt Risiko zwei zum Opfer: Nicht dass bekannt wäre, dass Red Bull in Schwierigkeiten stecken würde, aber der Eigentümer hat schlicht die Geduld mit oder das Interesse an Servus TV verloren – oder beides.

Verlust von Fördermillionen

Mogul-Sender als kostspielige Hobbys abzutun wäre aber zu einfach. Dafür leisten die Programmschaffenden viel zu ernsthafte Arbeit, mit sehenswertem Erfolg. Für die medienpolitische Beurteilung stellt sich aber die Frage, ob derart wohlhabende "professionelle Hobbyisten" mit Fördermillionen unterstützt werden sollen, wenn sie sich zu keinerlei Bestandsgarantie verpflichten. Servus TV hat allein im Jahr 2015 über 2,2 Millionen Euro aus dem Privatrundfunkfonds erhalten. Aus der Sicht der Steuerzahlenden stellt sich diese Investition jetzt als wenig nachhaltig heraus. Zum Vergleich: Die größte Empfängerin von Presseförderung war 2015 die Tageszeitung "Die Presse" mit 957.000 Euro. Die Einstellung von Servus TV sollte ein weiterer Anstoß sein, endlich ein neues Konzept zur Förderung publizistischer Inhalte zu implementieren.

Verlust an Fernsehkultur

All das ist verkraftbar. Mateschitz kann den Abschreiber in seinen Büchern verkraften, der Privatrundfunkfonds kann in Zukunft mehr Fördergeld an die überlebenden Sender ausschütten und die 123.000 Stammseher von Servus TV werden eine neue Fernsehheimat finden.

Unwiederbringlich dahin ist aber das famose Experimentierfeld, das Servus TV für junge Fernsehmacherinnen und Fernsehmacher zur Verfügung gestellt hat. Moderne, zeitgemäße Fernsehkultur braucht solche Entfaltungs- und Freiräume – dieser Verlust wiegt wohl am schwersten. (Josef Trappel, 4.5.2016)