Wien – Nicht enden wollende Hypo-Wirrnisse, ein deutliches Budgetdefizit bei anhaltend schwieriger Wirtschaftslage, die Griechenland-Misere oder zuletzt die aufgehobene Ausschreibung von Kasinolizenzen: Weil Hans Jörg Schelling (ÖVP) haufenweise Probleme von seinen Vorgängern geerbt hat, kommt er kaum dazu, das Regierungsprogramm abzuarbeiten. Noch dazu setzt der Chef im Finanzministerium (BMF) auch eigene Schwerpunkte, wie zuletzt die angekündigte Eindämmung der kalten Progression oder die in einem STANDARD-Interview vom Zaun gebrochene Debatte über das Einkommen von Arbeitslosen.

Vorgänger Michael Spindelegger schenkte Hans Jörg Schelling zur Amtsübergabe die passenden Handschuhe. Der hat vom Finanzausgleich bis zur Finanztransaktionssteuer noch einiges durchzuboxen.
Foto: Matthias Cremer

Reformverweigerung kann man Schelling also nicht vorwerfen. Die Zwischenbilanz der Regierung im Bereich Finanzen fällt trotzdem nicht allzu rosig aus, wie eine Auswahl der noch zu bohrenden Bretter zeigt.

  • Finanztransaktionssteuer: Noch immer wird zum Beispiel über eine Finanztransaktionssteuer auf europäischer Ebene verhandelt. In welchem Ausmaß die Einnahmen sprudeln, ist von der Ausgestaltung abhängig. Nur elf EU-Mitgliedsstaaten machen mit, Schelling setzt sich wie schon seine Vorgänger dafür ein. Von deren Praxis, die Erträge trotz fehlenden Beschlusses mit bis zu 500 Millionen Euro pro Jahr im Vorhinein zu budgetieren, ist Schelling abgerückt. Dafür sind andere prognostizierte Einnahmen umstritten, zum Beispiel jene aus der Gegenfinanzierung der Steuerreform.
  • Steuerreform: Ihr Prestigeprojekt hat die Regierung nach langem Hin und Her erfolgreich abgeschlossen. Die Tarifreform bei der Lohn- und Einkommenssteuer bringt eine Entlastung in Höhe von fünf Milliarden Euro pro Jahr. Der Eingangssteuersatz wurde deutlich gesenkt, so wie im Regierungsprogramm vereinbart.

  • Bürokratieabbau: Darin steht aber auch, dass das Einkommenssteuergesetz und die Lohnverrechnung vereinfacht werden sollen. Das jetzige Gesetz stammt aus den 1980er-Jahren und wurde seitdem mit zig Zusätzen und Ausnahmebestimmungen verkompliziert. Das Mammutprojekt, an dem schon andere Finanzminister gescheitert sind, heißt Neukodifizierung. Daran werde derzeit gearbeitet, heißt es aus dem BMF. Die von der Regierung installierte Steuerreformkommission hat im vergangenen Jahr außerdem vorgeschlagen, die Bemessungsgrundlagen für Steuern und Sozialversicherung zu harmonisieren und die Beitragsgruppen von derzeit 496 auf rund 100 zu reduzieren. Ersteres wurde im Zuge der Tarifreform punktuell erledigt, von Letzterem ist bis jetzt nichts zu erkennen.

    Sehr wohl abhaken kann Schelling den automatischen Lohnsteuerausgleich, von dem vor allem Niedrigverdiener profitieren. Die vorausgefüllte Steuererklärung für alle wurde hingegen noch nicht zum Leben erweckt. Und: Bis Ende 2015 wollte man einen Begutachtungsentwurf für eine Gebührenreform vorlegen. Auch dieses Vorhaben musste nach hinten verschoben werden.

  • Steuerabkommen: Der Austausch von Steuerdaten mit den USA mittels des sogenannten Fatca-Abkommens wurde noch unter Michael Spindelegger vorbereitet und im Frühjahr 2014 unter Dach und Fach gebracht. Gleiches gilt für die EU-Zinsrichtlinie, mit der gewisse Steuerdaten ausgetauscht werden. Bei beiden Regelungen hatte sich Österreich jahrelang quergelegt. Zur Betrugsbekämpfung im Inland hat Schelling 500 zusätzliche Beamte angekündigt. Das Vorhaben, dafür ein eigenes Amt innerhalb des Finanzministeriums zu installieren, wurde hingegen verworfen.
  • Spekulationsverbot: Seit langem mit Ländern und Gemeinden vereinbart, wiederholt im Nationalrat diskutiert und trotzdem nicht umgesetzt: Ein einheitliches Spekulationsverbot für alle Körperschaften im Verfassungsrang gibt es trotz einhelliger Willensbekundungen aller Parteien noch immer nicht. Bis Ende 2014 hätte die gesetzliche Verankerung kommen sollen, auch Schelling hatte sich nach Amtsantritt dazu bekannt.

    Die notwendige Zweidrittelmehrheit im Parlament scheiterte schon 2013, also noch unter der Vorgängerregierung, an der konkreten Ausgestaltung. FPÖ und Grünen war die geplante Bestimmung zu schwammig. Einen neuen Anlauf blieb die aktuelle Regierung bisher schuldig – obwohl nicht nur Schelling, sondern auch sein Vorgänger Michael Spindelegger einen solchen versprochen hatten. Ein entsprechender Ministerialentwurf liegt in der Schublade. Fünf von neun Ländern haben ein Spekulationsverbot bereits ohne bundesweit einheitliche Regelung verankert.
  • Einheitliche Rechnungslegung: Hinter dem Zeitplan liegt man auch bei der sogenannten Voranschlags- und Rechnungsabschlussverordnung (VRV). Durch sie sollen Länder und Gemeinden ihre Rechnungslegung umstellen, die Budgettransparenz erhöht werden. Die seit Monaten andauernden Verhandlungen zwischen Finanzministerium und Vertretern von Ländern und Gemeinden sind noch immer nicht abgeschlossen. Aus dem BMF verlautete zuletzt, es seien nur mehr Details zu klären.
  • Finanzausgleich: Die neu zu regelnde Aufteilung der Steuereinnahmen in Höhe von jährlich rund 80 Milliarden Euro zwischen Bund, Ländern und Gemeinden wird in den kommenden Monaten einer der größten Brocken sein. Um in Ruhe eine umfassende "Aufgabenreform" angehen zu können, wurde der aktuelle Pakt bis Ende 2016 verlängert. Im Herbst beginnt die heiße Phase, bis Mitte kommenden Jahres soll eine Einigung stehen. Eine Neuordnung wurde schon für mehrere Finanzminister zur Sisyphusaufgabe. Es wird also nicht einfacher für Hans Jörg Schelling. (Simon Moser, 11.8.2015)