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Wien – Aufgabenorientierung, Kompetenzbereinigung, Entflechtung. Die Reformpapiere zum Thema Föderalismus füllen nicht Schubladen, sondern ganze Wandschränke. Hervorgekramt werden sie immer dann, wenn Verhandlungen zum Finanzausgleich anstehen. Ende April wurde die aktuelle Runde eingeläutet, bis Mitte 2016 will sie die Regierung abschließen. Viel Zeit, um unerfüllbare Hoffnungen zu schüren. Noch bei jeder Finanzausgleichsrunde wurde die Neuregelung der komplexen Aufgabenverteilung zwischen Bund, Ländern und Gemeinden ins Auge gefasst, noch jeder Finanzminister ist an diesem Anspruch gescheitert.

"Jetzt aber wirklich", ist auch das Motto von Finanzminister Hans Jörg Schelling (ÖVP), sein hehres Ziel die aufgabenorientierte Verteilung der Steuereinnahmen. Das würde zum Beispiel bedeuten, dass die Mittel für den großen Posten Kinderbetreuung nicht mehr wie bisher über die Länder, sondern direkt vom Bund an die zuständigen Gemeinden fließen.

Hin- und Hergeschiebe

"Bei der Kinderbetreuung reden fünf Ministerien, neun Landesräte und 2.100 Gemeinden mit", beklagt Gemeindebundpräsident Helmut Mödlhammer. "Die Länder schießen den Gemeinden Geld zu, der Bund auch, und zwar wieder über die Länder. Die Vereinbarungen müssen zuerst in neun Landesparlamenten beschlossen und dann zwischen Ländern und Gemeinden ausverhandelt werden." Was das an Kosten und Administration bedeute, was da hin- und hergeschoben werde, sei unglaublich. Mödlhammer: "Wieso kann man nicht sagen: Wir geben für die Betreuung pro Kind einen gewissen Betrag aus, fertig."

Doch wo es ernst wird mit der Abtretung von Zuständigkeiten, da wird schnell aufgeschrien. Für Mödlhammer liegt das Grundproblem im Einflussdenken: "Da geht's natürlich auch ums Personal. Es gibt gewachsene Strukturen, und niemand will zurückfahren. Stattdessen werden neue Wünsche eingebracht, weil jeder einen Nachweis seiner Betätigung braucht." Mit einem ordentlichen Finanzausgleich könnte man vieles ändern, glaubt der oberste Gemeindevertreter.

Anders sieht das Hans Pitlik. Er forscht am Wifo zum fiskalischen Föderalismus und meint, der Finanzausgleich sei nicht der richtige Rahmen, um eine Reform desselben in Angriff zu nehmen. "Das Thema Kompetenzentflechtung ist eine grundsätzliche Frage. Die vielen Überschneidungen, etwa im Bildungssystem, sind alle in der Verfassung geregelt, an die müsste man sich herantrauen." Das geeignete Forum wäre der vor zehn Jahren so grandios gescheiterte Österreich-Konvent gewesen, die Sichtweise bei den Verhandlungen zum Finanzausgleich sei hingegen sehr eingeschränkt auf die Mittelaufteilung, so Pitlik.

Teile und regiere

Auch bei der aktuellen Verhandlungsrunde sind die Begehrlichkeiten klar abgesteckt: Die Landesfinanzreferenten haben bereits deutlich gemacht, dass Einschränkungen mit ihnen nicht zu machen sind. Eine mögliche Antwort könnte die teilweise Steuerautonomie für die Bundesländer sein. Das würde mehr Verantwortung der Länder für ihre Einnahmen bedeuten, aber auch einen verstärkten Wettbewerb zwischen den Regionen. Wünschenswert, geht es nach Pitliks Kollegin Margit Schratzenstaller. Die Wifo-Ökonomen regen Zuschlagsrechte auf die Körperschaft- oder Einkommensteuer an. Wie hoch der bürokratische Mehraufwand ist, sei von der konkreten Regelung abhängig. "Wichtig ist, dass Transparenz über die Standortvor- und -nachteile herrscht."

Mehr Transparenz und die Zusammenführung der Verantwortung für Einnahmen und Ausgaben sind auch für Peter Bußjäger, Direktor des Instituts für Föderalismus, die wichtigsten Ziele des Finanzausgleichs. Und auch in seiner Skepsis über die Umsetzung ist er sich mit anderen Experten einig: "Ich erwarte mir nicht, dass man strukturelle Reformen in der Bundesverfassung angeht."

Derzeit sei "jeder für etwas zuständig, aber niemand für etwas verantwortlich", sagte Hans Jörg Schelling kürzlich bei einer Podiumsdiskussion. Ein Befund wie aus einem U-Ausschuss. Mit bekanntem Ergebnis. (Simon Moser, 19.5.2015)