Brüssel - Eine Tobin-Tax als echte EU-Transaktionsabgabe auf möglichst alle Finanzgeschäfte ist tot. Es lebe die gute alte "Stempelsteuer", eine einfachere Börsenumsatzsteuer! Das scheint nach den jahrelangen Bemühungen um die Einführung einer Finanztransaktionssteuer (FTS) in der Union inzwischen selbst bei jenen elf EU-Staaten das Motto zu sein, die dieses Steuermodell ab Anfang 2014 auf Basis einer "verstärkten Zusammenarbeit" einführen wollen.

Eine FTS als gemeinsame EU-Regelung der 27 Mitgliedsländer, die nach Schätzungen der Kommission mehr als 50 Milliarden Euro in die Staatskassen gespült hätte, ist schon seit längerem undenkbar: Großbritannien, die Niederlande, auch Luxemburg legen sich seit 2012 quer. Die Regierungen in London und Den Haag wollen sogar eine Klage beim Europäischen Gerichtshof (EuGH) gegen das Modell der EU-11 einbringen, was das ganze Projekt ohnehin zu verzögern droht.

Am Freitag bestätigten nun aber auch Vertreter der deutschen und der österreichischen Regierung, die die Steuer bisher am lautesten forderten, dass sie nicht mehr mit einem Start am 1. Jänner 2014 rechnen, und damit einen Bericht von Reuters, wonach es ernsthafte Einwände bei den Banken gebe.

"Wir wollen sie so umfassend wie möglich", sagte der Sprecher von Finanzminister Wolfgang Schäuble in Berlin, aber "das Thema ist komplex" . Und am Ende müsse es dabei einen einstimmigen Beschluss geben, weil alle EU-Staaten betroffen sind.

Deutsche Banken blocken ab

Will heißen: Die Sache wird dauern, wie auch die Sprecherin des zuständigen Steuerkommissars, Algirdas Semeta, in Brüssel zu erkennen gab. Insider der Verhandlungen in Brüssel sagen, dass die FTS, wenn überhaupt, nur in einer Schmalspurversion kommen werde. Insbesondere deutsche Bankenvertreter hätten - unterstützt von der Europäischen Zentralbank (EZB) - deutlich gemacht, dass eine Abgabe auf jede Transaktion den Interbankenmarkt nachhaltig stören könnte.

Es geht dabei vor allem um Geschäfte mit besicherten Pensionswertpapieren (Repos), mit denen sich Banken untereinander Liquidität verschaffen. Wenn das zusätzliche Kosten verursacht, könnte eine Wettbewerbsverzerrung und zusätzliche Lasten für die EZB die Folge sein. Nach bisherigen Berechnungen der Kommission würde eine FTS in den elf Ländern 30 bis 35 Milliarden Euro einbringen, wenn nicht nur Aktien und Anleihen mit 0,1 Prozent besteuert würden, sondern auch Derivate. Deutschland rechnet mit Einnahmen von zehn Mrd. Euro. Die österreichische Finanzministerin Maria Fekter hat 500 Millionen Euro im Budget 2014 eingeplant.

Deutsche Landesbanken fürchten Kosten von mehreren Mrd. Euro. In der Kommission wird daher überlegt, eine Transaktionssteuer zunächst nur auf Aktien einzuführen, Derivate auszunehmen und 2014 später zu beginnen.

Die Regierung in Wien hält an ihren Plänen vorläufig fest, hieß es im Finanzministerium, man rechne mit den Einnahmen von 500 Mio. Euro. Während ÖVP-Finanzsprecher Günter Stummvoll einräumte, dass es "sehr knapp" wird, ruft die SPÖ bereits danach, dass der Bankensektor bei einem Scheitern der FTS auf EU-Ebene die Budgetlücke füllen müsse. Die " breite Masse" dürfe dafür jedenfalls nicht zur Kassa gebeten werden, erklärte SPÖ-Finanzsprecher Jan Krainer im ORF. Die Banken seien schließlich die Verursacher der Finanzkrise. (Thomas Mayer, DER STANDARD, 1.6.2013)