Würde man die Festplattenabgabe nicht zweckentfremden, wäre die Regelung eine klassische "Win-win-Situation" für Konsumenten und Urheber.

Foto: imago/Jochen Tack

Stellen Sie sich vor, Sie testen ein Auto bei einer Probefahrt. Leider sind Sie kurz abgelenkt und verursachen während des Tests eine Schramme im Lack. Ein Gutachter stellt den Schaden und die Höhe der zu leistenden Zahlung fest. Der Autohändler ist mit der Höhe des Betrags nicht einverstanden. Der angebotene Schadenersatz für die Schramme im Lack leiste keinen Beitrag zur seiner Existenzsicherung, sei keine faire Entlohnung seiner Arbeit, und außerdem könne er damit auch nicht die Ausbildung seiner Lehrlinge unterstützen. Sind Sie irritiert?

Dann haben Sie noch nicht Argumente der Verwertungsgesellschaften, der Initiative Kunst hat Recht und der IG Autorinnen Autoren für die Ausweitung der Festplattenabgabe gehört. Denn sie alle ignorieren konsequent und lernresistent den in internationalen Übereinkommen wie der Berner Übereinkunft intendierten und im EU-Recht festgeschriebenen Sinn und Zweck der Privatkopievergütung, der in Österreich so genannten Festplattenabgabe.

"Gerechter Ausgleich", keine Existenzsicherung

Diese Festplattenabgabe ist ein Schadenersatz, ein – wie es im EU-Recht heißt – "gerechter Ausgleich" für Einnahmenverluste aus dem Recht von Konsumenten, von geschützten Werken einzelne Kopien anzufertigen. Auch der Europäische Gerichtshof hat des Öfteren klargestellt, dass der "gerechte Ausgleich" auf Grundlage des Schadens zu berechnen ist, der den Urhebern durch die Privatkopie entsteht.

Recht und Gesetz gestehen Urhebern also mit der Privatkopievergütung Schadenersatzansprüche als gerechten Ausgleich zu. Wer, bitte, außer den Mitgliedern von Kunst hat Recht und der IG Autorinnen Autoren interpretiert Schadenersatz-Zahlungen als Teil der eigenen Existenzsicherung oder gar als "gerechte Entlohnung"? Als Geschäftsmodell wäre das schnell im Verdacht, Versicherungsbetrug zu sein.

Pro-Kopf-Abgabe im EU-Spitzenfeld

Mit dieser die Wirklichkeit verweigernden Sichtweise werden natürlich auch die Tarife, das heißt, die Höhe des Schadenersatzes pro Jahr gerechtfertigt. Die Neuregelung sieht ein – sicherlich ausgeschöpftes – Maximum von 29 Millionen Euro pro Jahr bis 2019 vor. Davon entfallen 20 Millionen Euro auf die Festplattenabgabe. Jeder Einwohner Österreichs, vom Säugling bis zur Urgroßmutter, zahlt dann also statistisch jährlich 2,35 Euro als Abgabe. Das scheint wenig zu sein, doch im europäischen Vergleich rückt damit Österreich ins Spitzenfeld der Pro-Kopf-Abgaben.

Als "Entlohnung" zweckentfremdet

Eigentlich ist die Privatkopie-Regelung doch eine klassische "Win-win-Situation": Wir Konsumenten müssen uns im Privatumfeld nicht ums Urheberrecht kümmern, die Urheber erhalten automatisch einen Ausgleich für wahrscheinlich entgangene Einnahmen. Eigentlich eine vernünftige und gerechte Sache. Man könnte die Angelegenheit wie Gentlemen regeln, den jährlichen Schaden berechnen und beziffern, der durch das Privatkopierecht entsteht und dabei unser sich änderndes Nutzungsverhalten berücksichtigen. Denn wer einen Schaden verursacht, kommt dafür selbstverständlich auch auf.

Doch nein, die Privatkopievergütung wird zur "Entlohnung", also zu einer tragenden Säule der Existenz österreichischer Künstler und der österreichischen Kunst- und Kulturlandschaft im Allgemeinen aufgebauscht und zweckentfremdet. In dieser Hybris fordern Verwertungsgesellschaften und Interessengruppen auch immer steigende Abgaben, 100 Millionen Euro pro Jahr hat mal jemand als "ein Ziel" genannt. Wie die IG Autorinnen Autoren in ihrer Aussendung vom 8. Juni 2015 verweigern sie aber gleichzeitig Konsumenten vom Europäischen Gerichtshof verbriefte Rechte wie das, auch als Privatnutzer einen Anspruch auf Rückzahlung der Abgabe geltend machen zu können. Was hier argumentiert wird, ist weder ein Ausgleich, noch ist es gerecht.

Fangt an, das Internet zu verstehen

Wir Österreicher schätzen Kunst und Kultur – auch wenn wir sie nicht immer verstehen – und sind gerne bereit, unseren Beitrag zu deren Erhalt und Vielfalt zu leisten; schließlich unterstützt jeder Steuerzahler Kunst und Kultur in diesem Land jährlich mit rund 50 Euro im Kulturbudget. Aber – bitte – hört endlich auf, die Privatkopievergütung zur "Entlohnung" umzudeuten oder als "künstlerische Mindestsicherung" zu missbrauchen. Hört auf, den irrigen Eindruck zu erwecken, ihr bekämt den Hals nicht voll genug, während ihr den Konsumenten keinen Fußbreit an mehr Rechten zugesteht. Fangt stattdessen an, uns und das Internet zu verstehen. (Joachim Losehand, 10.6.2015)