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Sami H., der im Bild unten seine Asylwerberkarte herzeigt, lebt seit über zwei Monaten in einem Achtpersonenzelt im Lager Traiskirchen.

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Traiskirchen – Sami H. (Name geändert) hegt derzeit zwei große Wünsche: "Ich möchte in ein richtiges Haus übersiedeln. Und ich möchte in die Schule gehen, um zu lernen und zu arbeiten. Geschenkt haben will ich nichts", sagt der junge Bursch aus Afghanistan.

Nach Österreich hat sich der 16-Jährige allein als unbegleiteter Minderjähriger durchgeschlagen, nun ist er seit zweieinhalb Monaten hier: 80 Tage und Nächte im Erstaufnahmezentrum Traiskirchen, 70 davon in einem Zelt. Davor übernachtete er zehn Tage in einem großen Stockbettensaal im Lager.

Zu acht im Zelt

"Im Zelt wohnen wir zu acht, lauter junge Burschen aus Afghanistan. Neben uns lebt eine syrische Familie mit zwei kleinen Kindern. Wenn es regnet, wird der Boden in den Zelten ganz nass." Ein Freund, minderjährig wie er selbst, habe mehrere Nächte im Freien schlafen müssen. Erst dann habe man ihm einen Bodenplatz in einem Saal zugewiesen, übersetzt ein Farsi-Dolmetscher H.s Worte.

Dieser sitzt ruhig, fast in sich gekehrt, in einem der Beratungszimmer des Flüchtlingsdienstes der Diakonie im Traiskirchner Ortszentrum: ein nach harter Lebenserfahrung früh erwachsen gewordener junger Bursch, dem Alter nach noch minderjährig. Um ihn herum auch hier Enge und Trubel, telefonierende Beraterinnen und gestikulierende Asylwerber. Junge Männer, Paare, ganze Familien sitzen oder stehen in Warteräumen, Gängen und im Stiegenhaus.

"Die Wahrheit sagen"

Er wolle "die Wahrheit sagen", betont Sami H., dem ein Gutachter inzwischen bestätigt hat, tatsächlich erst 16 Jahre alt zu sein. Er sei "aus Sicherheitsgründen" nach Europa gekommen, "und weil ich nicht mein ganzes Leben als Hirte oder im Steinbruch verbringen will".

Angst um die eigene Sicherheit hatte H. vor allem im Iran, wo er zwischen seinem 13. und 15. Lebensjahr als Steinarbeiter schuftete. Täglich von acht bis 16 Uhr habe er für eine Firma Blöcke aus dem Gestein geschnitten, sie mit Kollegen – "fast alle junge Afghanen" – auf Paletten bergauf gehievt, schildert er.

In einem "richtigen Zimmer"

Eine "sehr schwere Arbeit" sei das gewesen. Doch er habe immerhin Geld verdient und, "anders als hier" in einem "richtigen Zimmer" gewohnt.

Dennoch habe dieses Leben für ihn keine Perspektive besessen: "Weil wir Afghanen im Iran so unbeliebt sind". Beschimpft und belästigt sei er worden, in Geschäften habe man ihn und seine Kollegen nicht bedient. "Und dann hat mir ein Iraner auf der Straße mit Gas in die Augen gesprayt. Da wurde mir klar: Ich muss auch dieses Land verlassen."

Keine Existenzchancen

Diesbezüglich gab es nur zwei Möglichkeiten: "Ich hätte nach Afghanistan zurückkehren können – oder aber nach Europa weiterreisen", sagt H. In seinem Heimatland habe er als Sohn eines einfachen Bauern keine Existenzchancen erblickt: Nachdem seine Eltern gestorben seien, habe er dort schon als Elfjähriger "die Schule verlassen und als Hirte arbeiten müssen".

Also entschied sich H. für den entgegengesetzten Weg. Fluchthelfer und Schlepper brachten ihn via Türkei und Ungarn bis nach Österreich. Hier habe er derzeit zwar genug zu essen, auch könne er im Erstaufnahmezentrum duschen, doch aus seiner derzeitigen Zeltperspektive erscheine ihm: "Es ist auch hier ein schweres Leben." (Irene Brickner, 23.7.2015)