Nibaldo Vargas sieht sich nicht als "Quotenmigrant".

Foto: Erwin Polanc

Dort sind wir, gerade in Salzburg angekommen, das erste Mal aus dem O-Bus gestiegen", Nibaldo Vargas deutet von der Terrasse des Salzburger Café Bazar über die Salzach zur Busstation am gegenüberliegenden Hanusch-Platz. Das war vor rund vier Jahrzenten. Heute ist der 1962 Geborene Absolvent der Fachhochschule Joanneum. Er ist seit 20 Jahren in der Sucht- und Drogenarbeit engagiert.

Dass Vargas in Österreich gelandet ist, war Zufall. Nach dem Militärputsch 1973 musste er mit seiner Familie in den Untergrund. Bald darauf ging es nach Argentinien. Gefährdet war vor allem seine Mutter: Die praktizierende Katholikin war gleichzeitig auch Organisationssekretärin der Kommunistischen Partei und Kandidatin bei den Regionalwahlen.

Der Fluchtweg der Familie führte über Argentinien nach Rumänien, wo ein paar tausend chilenische Flüchtlinge Unterschlupf fanden. Die Vargas wollten aber weiter nach Deutschland. In Salzburg war Endstation: "Wir wurden vom deutschen Zoll aus dem Zug geschmissen", erzählt er im Standard-Gespräch.

Staatsbürger im Eilverfahren

Unterschlupf fand man bei der Pfarre im Stadtteil Mülln, wo man zufällig auf einen spanisch sprechenden Mitarbeiter stieß. Die ersten Wochen war die neunköpfige Familie bei einem Gemeinderat der ÖVP zu Hause. Den Asylstatus hatte Vargas erst nach rund einem Jahrzehnt erhalten, da war er aber längst in Salzburg integriert. "Da hatte ich hier schon sehr gute Freunde, die waren das Wichtigste zur Integration." Die Sprache sei wichtig, meint Vargas, "wichtiger ist aber die Empathie, mit der einem begegnet wird". Viele Ärzte könnten ja mit ihren Patienten kommunizieren, ohne deren Sprache zu sprechen.

Als er nach Erhalt des Asylstatus mit der Ausbildung an der Sozialakademie begann, sei er dort ausgesprochen wohlwollend aufgenommen worden. Er habe plötzlich Rückhalt gespürt und konnte auch mithilfe seiner österreichischen Freunde ein "stabiles Leben" beginnen.

Für seine ehemalige Heimat habe er sich dennoch immer interessiert. Als Vargas rund um die Präsidentenwahlen 1989 seinem Herkunftsland im Zuge eines Hilfsprojektes einen Besuch abstatten wollte, konnte er dies nur mit Hilfe von Landeshauptmann Wilfried Haslauer Senior (ÖVP). Dieser machte den mit Einreiseverbot belegten Exilchilenen im Eilverfahren zum österreichischen Staatsbürger.

Politisch immer interessiert wurde Vargas nach seinem beruflich bedingten Umzug nach Graz, von den Grünen um eine Kandidatur gefragt und 2013 auch in den Grazer Gemeinderat gewählt. Ein politisches Mandat in der neuen Heimat sei wohl die am besten gelungene Form der Integration, sagt er.

Rückzug aus der Politik

Dies auch, weil er "kein Quotenmigrant" sei und nicht für die Agenden Ausländer und Migration zuständig gewesen sei. "Diese Themen liegen in Verantwortung der Österreicher." Vargas war bis vor wenigen Wochen Bereichssprecher für Soziales, Behinderte, Gesundheit, Jugend und Sicherheit. Jetzt hat er nach rund zweieinhalb Jahren sein Mandat in Graz zurückgelegt. Vargas zieht es aus privaten Gründen nach Hause – nach Salzburg. (Thomas Neuhold, DER STANDARD, 13.6.2015)