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... und der Kanzler lächelt dazu.

Foto: apa/HANS KLAUS TECHT

Der Wiener Bürgermeister Michael Häupl hat die Debatte um die Erhöhung der Lehrerarbeitszeit diese Woche mit einem pointierten Sager bestimmt: Wenn er 22 Stunden in der Woche arbeite, wäre er Dienstagmittag fertig. Keine Freunde hat er sich damit bei der Lehrerschaft gemacht. Eine Wiener Lehrerin bedankt sich auf diesem Weg "herzlich für die Wertschätzung" ihrer Arbeit.

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Dienstag, 14. April, in der Realität

18:30 Uhr Ich verlasse das Schulhaus. Nach dem Unterrichten habe ich die Schularbeit meiner 4. Klasse geschrieben und vervielfältigt, eine mündliche Prüfung für einen Schüler meiner 8. Klasse zusammengestellt und ein Drittel der Fragen für die mündliche Matura – in Englisch 24 Themen zu je vier Fragen – überarbeitet. Es warten noch die Englisch-Hausübungen meiner 4., 6., 7. und 8. Klasse und der Biologietest, den meine 6. Klasse an diesem Tag geschrieben hat, soll ebenfalls verbessert werden. Doch ich bin um 7 Uhr aus dem Haus gegangen und inzwischen müde. Also packe ich meine Sachen und mache mich auf den Weg nach Hause.

19:15 Uhr Ich komme zu Hause an. Mein Lebensgefährte liest gerade Nachrichten im Internet; ich setze mich dazu und lese mit. Als erstes sehe ich, dass mir der Bürgermeister der Stadt, in der ich lebe, öffentlich ausrichtet, selbst nach einer Erhöhung der Lehrerarbeitszeit würde ich nur 22 Stunden pro Woche arbeiten. Diese hätte ich am Dienstagabend tatsächlich beinahe schon absolviert. Es folgen aber noch Mittwoch (nur bis 16 Uhr), Donnerstag (wegen Elternsprechtags bis 19 Uhr) und Freitag (ausnahmsweise bis kurz nach 13 Uhr).

"... dann bin ich am Dienstag zu Mittag fertig"

Die meisten meiner Kollegeninnen und Kollegen verlassen nach 13 beziehungsweise 14 Uhr das Schulgebäude und erledigen die übrige Arbeit dann zu Hause. Das ist auch der einzige Grund, warum ich nachmittags in der Schule arbeiten kann. Blieben alle da, wäre ein konzentriertes Arbeiten auf den engen, mit Materialien überhäuften Arbeitsplätzen gar nicht möglich – abgesehen davon, dass für mehr als 100 Lehrer in unserem Lehrerarbeitszimmer nur drei Computer zum Arbeiten zur Verfügung stehen.

Dass Lehrerinnen und Lehrer neben dem Unterrichten in der Klasse auch Stunden vorbereiten, Arbeitsmaterial zum Teil selbst herstellen beziehungsweise zusammensuchen, Hausübungen korrigieren, sowie Tests und Schularbeiten schreiben und dann verbessern müssen, soll an dieser Stelle nicht wieder erläutert werden. Es klingt nach rechtfertigen, dabei ist es eine Selbstverständlichkeit.

Keine Erhöhung der Gesamtarbeitszeit?

Vielmehr drängen sich Fragen auf: Wie sollen zwei Stunden mehr Unterricht in der Klasse keine Erhöhung der Gesamtarbeitszeit bedeuten? Bereite ich diese zwei Stunden etwa nicht vor? Überlege ich mir, wenn ich schon in der Klasse stehe, was ich unterrichten werde und mit welchen Mitteln? Gebe ich in diesen zwei Stunden keine Hausübungen, oder schaue ich sie nicht an? Gibt es keine Schularbeiten und Tests? Welcher Teil meiner Arbeit wird mir im Gegenzug für diese zwei Stunden abgenommen, sodass die Gesamtarbeitszeit gleich bleiben kann? In der Realität wird die Unterrichtsqualität leiden.

Bildung in Österreich

Man hört stets, in einer wirtschaftlich schwierigen Lage wäre eine gute (Aus)bildung besonders wichtig. In Österreich jedoch macht sich der Bürgermeister der größten Stadt des Landes in einem sehr umgangssprachlichen Ton über die gesamte Lehrerschaft lustig, und der Bundeskanzler des Landes (!) steht daneben und lächelt dazu. Das ist der Stellenwert, den Bildung hier bei uns hat.

Seit Jahren wird öffentlich eine ganze – eine wichtige – Berufsgruppe demotiviert. Uns wird öffentlich ausgerichtet, wir wären faul und würden zu wenig arbeiten, sowie dass das Schulsystem, für das wir unsere Arbeit leisten, schlecht wäre. Ich mache meinen Beruf gerne. Ich mache ihn professionell und verantwortungsvoll. Die Schülerinnen und Schüler bekommen einen guten Unterricht. Ist das vielleicht gar nicht erwünscht?

Man möchte hoffen, dass die Politik der Entscheidungsträger dieses Landes auf anderen Gebieten – Wirtschaft, Gesundheit, Außenpolitik, etc. – auf mehr Wissen basiert, als es in der Bildungspolitik der Fall ist. (Barbara Pongracz, derStandard.at, 20.4.2015)