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Das Vorbild des Tiroler Landeshauptmanns Günther Platter ist Südtirol: Wie dort soll auch es auch in Tirol eine Gesamtschule geben.

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Ex-Ministerin Gehrer zählt zu den Unterstützern der Initiative gegen die Gesamtschule

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Die "Westachse" innerhalb der ÖVP bekommt Gegenwind. Kaum hat sich die schwarz-grüne Landesregierung in Vorarlberg gebildet und verkündet, einen Schulversuch für eine Modellregion zur Gesamtschule einführen zu wollen, setzt sich eine neue Tiroler Initiative für ein "Ende der Gesamtschuldebatte" ein. Seit vergangenem Donnerstag hat "Pro Gymnasium" knapp 1.500 Unterschriften gesammelt.

Prominenteste Unterzeichnerin ist die ehemalige Unterrichtsministerin und Vorarlbergerin Elisabeth Gehrer. Aber auch der ehemalige Landesschulratspräsident Hans Lintner und der Tiroler Wirtschaftskammerpräsident Jürgen Bodenseer haben für die Langform des Gymnasiums unterschrieben. Auf der Homepage der Initiative unterstützen mehrere Landesschulinspektoren, AHS-Direktoren und Lehrer das Anliegen.

Gegen den Landeshauptmann

"Wir diskutieren seit 100 Jahren über die Gesamtschule, das Für und Wider wurde ausgetauscht, wir sollten dieses Thema jetzt beiseite schieben und über die tatsächlichen Probleme des österreichischen Schulsystems sprechen", erklärt Matthias Hofer, Bundesobmann der AHS-Lehrer im Österreichischen Arbeitnehmerbund der ÖVP. Der Tiroler Lehrer hat die Initiative mitbegründet.

Die Kernforderung von "Pro Gymnasium": Das Gymnasium in seiner Langform, also von der fünften bis zur achten Schulstufe, soll erhalten bleiben. Die teils ÖVP-nahen Unterzeichner widersprechen damit offen ihrem Parteikollegen, dem Tiroler Landeshauptmann Günther Platter.

Entgegen der bisherigen Bundesparteilinie will Platter die Gesamtschule einführen. Sein Vorbild ist Südtirol. Um die Reformen weiterzubringen, hat Platter im Zillertal eine "Modellregion" geschaffen, wo die Gesamtschule getestet werden soll. In dem Bezirk gibt es kein Gymnasium, weshalb die gemeinsame Schule der Zehn- bis 14-Jährigen dort schon umgesetzt ist, so argumentiert zumindest die Landesregierung. Auch in Vorarlberg und in Salzburg setzen sich die Landeshauptmänner gemeinsam mit Platter innerhalb der "Westachse" für Modellregionen ein.

Vorbild im Norden

Hofer sieht darin einen Etikettenschwindel. "Die Eltern können ihre Kinder weiterhin in das Gymnasium in Schwaz schicken, und das passiert auch." Hofer kritisiert zudem, dass sein Parteikollege Platter nur Südtirol als Vorbild hernehme und sich nicht an den nördlichen Nachbarn des Bundeslandes orientiere. "Bayern und Baden-Württemberg haben ein differenziertes, leistungsorientiertes Schulsystem und sind damit erfolgreich." Zudem tauge Südtirol nur bedingt zum Vergleich mit Österreich, weil dort mehr Geld in die Bildung investiert werde.

Die Tiroler Bildungslandesrätin Beate Palfrader (ÖVP) sieht die Gründung der Initiative gelassen. "Möglicherweise gibt es von dieser Seite Verunsicherung dadurch, dass durch den neuen Bundesparteivorsitzenden Schwung in die Debatte gekommen ist und es hier durchaus die Bereitschaft gibt, neue Wege zu gehen", sagt Palfrader im Gespräch mit derStandard.at. Sie spielt damit auf den neuen ÖVP-Chef Reinhold Mitterlehner an, der erklärt hatte, die Schuldebatte pragmatisch führen zu wollen. Die Aussagen Mitterlehners zur Schulpolitik seien beachtlich, so Palfrader.

Die Forderung von "Pro Gymnasium", die Debatte über die Gesamtschule zu beenden, findet Palfrader eigenartig. "Die Diskussion über die gemeinsame Schule kann man nicht verhindern, es darf keine Diskussionsverbote geben."

Neben dem Erhalt des Gymnasiums will sich die Initiative auch dafür einsetzen, dass der Notendruck in der vierten Klasse Volksschule sinkt, wenn es darum geht, ob Zehnjährige ins Gymnasium oder in die Neue Mittelschule gehen sollen. Die Lösung dafür sei nicht die Gesamtschule, sagt Hofer. Damit würde der Notendruck nur auf vier Jahre später verschoben. "Pro Gymnasium" will stattdessen Prognosen über die Talente der Schüler von den Volksschulehrern. Das sei auch schon im Alter von zehn Jahren möglich, sagt Hofer.

"Nicht jedes Kind muss Matura machen"

Weitere Forderungen der Initiative: die Einrichtung zusätzlicher Oberstufen-Standorte, mehr Wertschätzung gegenüber der Lehre - "nicht jedes Kind muss Matura machen" - , die Konzentration auf Defizite im Kindergarten und in der Volksschule, mehr Unterstützungspersonal für Lehrer und ein Ausbau der ganztägigen Angebote an Schulen.

"Pro Gymnasium" will keine bestimmte Anzahl von Unterschriften sammeln. "Je mehr, desto besser", sagt Hofer. In Zukunft wolle man der "Mehrheit der Bevölkerung eine Stimme geben" und auf "ideologisch motivierte Anschläge auf das Gymnasium" aufmerksam machen. Am Montagabend wird die spontan entstandene Initiative ihre Strukturen festlegen. Die ehemalige Unterrichtsministerin Gehrer soll dabei jedenfalls nicht die "Speerspitze" werden. Man habe sie lediglich in einem privaten Gespräch gebeten, die Initiative zu unterstützen, sagt Hofer. (Lisa Kogelnik, derStandard.at, 6.10.2014)