Anlässlich des anstehenden einjährigen Jubiläums der Tiroler Landesregierung findet Landeshauptmann Günther Platter (ÖVP) eine fetzige Metapher: "Schwarz-Grün rockt", sagt er "als alter Musiker" in einem Doppelinterview mit seiner Vize gegenüber der "Tiroler Tageszeitung" (TT). Ingrid Felipe stimmt ein: Durch die Zusammenarbeit mit der ÖVP sei sie "grüner geworden", sie arbeite jetzt "mehr und lieber mit ganz viel Leidenschaft".

Nun ist "Rock" nicht mehr als ein Oberbegriff für eine ganze Reihe unterschiedlicher Musikrichtungen, von denen nicht überliefert ist, welche Platter gemeint hat. Man muss wohl aber nicht zynisch sein, um zu behaupten, dass der Sound der Landesregierung derzeit mehr nach Kuschelrock denn nach Punkband klingt. Die Koalitionäre regieren seit einem Jahr in freudiger Eintracht. Zumindest nach außen.

Findet man eine gemeinsame Lösung, wird der andere für die Verhandlungsführung gelobt, ist man sich uneins, wird nobel geschwiegen. Es stehe immer "die Sachpolitik" im Vordergrund, nicht die parteipolitische Färbung.

Schlussendlich zählen Taten

Nun kann man einer Regierung schwer zum Vorwurf machen, dass sie zumindest glaubhaft so tut, gerne miteinander zu arbeiten. Werner Faymann hat den Wahlkampf 2008 mit dem Slogan "Genug gestritten" gar gewonnen. Das Problem, das die Bundesregierung schon hat und der Tiroler Landesregierung womöglich noch blüht: Schlussendlich werden Politiker an Taten gemessen.

Die große Herausforderung des ersten Jahres war und ist zweifelsohne die Agrarfrage, in der sich Platter und Felipe nun brüsten, eine Lösung gefunden zu haben: Ein Substanzverwalter soll die Gemeinden vertreten, und die Agrarier bekommen nur noch die Früchte für Haus- und Gutsbedarf. Im nächsten Landtag wird das besiegelt werden.

Grüne "Umfaller", verärgerte Bauern

Doch dieses Gesetz hat der Landesregierung nicht nur den Hohn der Opposition und Kritik von Experten eingehandelt. Die Grünen gelten als "Umfaller", weil noch im Wahlkampf die bedingungslose Rückübertragung als einzige Option propagiert wurde, und der Volkspartei ziehen die Bauern am Rockzipfel. Verärgerte Kernwähler auf beiden Seiten. Das schmerzt.

Das Thema Agrargemeinschaften füllt im 55-seitigen Regierungsprogramm nicht einmal eine ganze Seite, doch ein Fünftel der gemeinsamen Zeit bis zur nächsten Wahl ist gezählt. Es gibt keine Einigung bezüglich des sektoralen Lkw-Fahrverbots oder der Natura-2000-Nominierungen, eine Modellregion für die Gesamtschule kommt bloß im Zillertal, wo es ohnehin kein Gymnasium gibt, und ab wann man um 365 Euro jährlich mit den Öffis fährt, kann einem derzeit niemand beantworten.

Bis es kracht

Natürlich, es ist erst ein Jahr vergangen, aber es gibt genug Themen, an denen man sich – auch einmal öffentlich – reiben könnte. Von Platter wie Felipe wird in fast jedem Interview betont, dass eine Koalition kein Einheitsbrei sei, doch zu zeigen traut man sich das nicht.

Gleich im ersten Absatz des Regierungsübereinkommens wurde festgeschrieben, dass man die nächsten fünf Jahre mit gegenseitigem Respekt und Vertrauen zusammenarbeiten wolle. "Wenn jemand darauf wartet, dass es kracht, wird er einen langen Bart bekommen", sagt Platter in dem TT-Interview. Darauf, dass es in der Koalition Krach gibt, warten wohl die wenigsten. Was jedoch einige ersehnen, ist, dass sie es krachen lässt. Das könnte sie auch gemeinsam. (Katharina Mittelstaedt, derStandard.at, 28.4.2014)