Bild nicht mehr verfügbar.

Flüchtlinge an der griechisch-mazedonischen Grenze nahe Idomeni.

Foto: REUTERS/Ognen Teofilovski

Bedeutet die Schließung der Balkanroute nun ein Ende der Hilfspolitik? Fast acht Monate ist es her, dass ich hier im STANDARD einen Userkommentar zur Flüchtlingspolitik verfasst habe. An einigen fundamentalen Ansichten halte ich bis heute fest: Wir müssen Kriegsflüchtlingen helfen, wir dürfen nicht wegsehen, und wenn wir etwas auf unsere Demokratie halten, dann müssen wir uns menschlich und solidarisch zeigen und Nächstenliebe nicht nur auf Wahlplakate schreiben. Jedoch hat sich meine Ansicht darüber geändert, wie wir in der aktuellen Flüchtlingskrise agieren sollten.

Nach der sogenannten Einladung der deutschen Kanzlerin Angela Merkel an die syrischen Flüchtlinge – durch die zu jener Zeit eine humanitäre Katastrophe verhindert wurde, mit der Europa jetzt ein paar Grenzzäune weiter südlich konfrontiert ist –, das programmierte Versagen sämtlicher Versuche, EU-weit zu einer gemeinsamen Linie zu finden, und schließlich die sukzessive Reduktion der Neuankömmlinge durch die österreichische "Tür mit Seitenteilen" und die darauffolgende Einführung der vielgelobten wie -kritisierten Tageskontingente sieht man nun die Folgen: Die Zufriedenheit der Inländer wie auch jene der Asylwerber sank stetig.

Erwartung und Realität

Einzelne Geschehnisse wurden aus dem Zusammenhang gerissen, um diese dann als billiges populistisches Mittel zum Stimmenfang auf Wahlveranstaltungen zu missbrauchen. Durch die vielleicht teilweise auch berechtigte Angst der Bevölkerung vor manchen Asylwerbern wurde die Lage noch verschärft. Doch auch die Flüchtlinge waren und sind mit einer Realität konfrontiert, die sie sich so zumeist nicht vorgestellt hatten, wie beispielsweise im "Abschiedsbrief" eines jungen Syrers an Bundeskanzlerin Merkel in der deutschen Zeitung "Die Zeit" unlängst zu lesen war. Die hohen Erwartungen wurden schnell enttäuscht, lange Asylverfahren und die teilweise menschenunwürdige Unterbringung – man erinnere sich an Traiskirchen vergangenen Sommer – waren nicht das, was sich die meisten von Europa versprochen hatten.

Die Nahost-Expertin Karin Kneissl hat vergangenen Oktober in einem "Presse"-Beitrag über die ankommenden Flüchtlinge gesagt: "Ob nun diese Menschen vor dem Krieg fliehen oder schlicht vor der Ausweglosigkeit, viele eint der Traum von Status, den sie daheim nie erreichen werden." Die aktuellen Bilder aus Idomeni an der griechisch-mazedonischen Grenze dürften diese Einschätzung bestätigen. Wenn Flüchtlinge alles daransetzen, aus einem EU-Staat auszubrechen, weil sie sich gut 1.500 Kilometer weiter nordwestlich bessere Zukunftschancen ausrechnen, dann ist ihr Handeln natürlich individuell nachvollziehbar, jedoch verfehlt es den eigentlichen Grundgedanken: nämlich den Geflüchteten Schutz zu bieten.

Mehr Geld und klare Entscheidungen

Bedeutet die Schließung der Balkanroute nun ein Ende der Hilfspolitik? Das muss und soll nicht der Fall sein. Wenn endlich mehr Geld in die Hand genommen würde, um Flüchtlingen in deren Heimat oder in den Flüchtlingscamps zu helfen, dann würde auch einer viel größeren Anzahl an Flüchtenden geholfen, als das durch das ineffiziente mitteleuropäische System des vergangenen Jahres – fast ausschließlich jenen zu helfen, die es bis nach Europa geschafft hatten und sich den Schlepper leisten konnten – möglich war.

Die Schließung der Balkanroute kann nun zwei Szenarien hervorrufen: Entweder die europäischen Bemühungen scheitern, und es kommt zu einer humanitären Katastrophe, oder Europa erkennt endlich, dass es an einem gemeinsamen Strang ziehen muss. Das muss nicht bedeuten, dass jedes Land selbst Flüchtlinge aufnimmt. Doch es wird in einer Europäischen Union – die sich immerhin mit dem Friedensnobelpreis rühmt – ein gemeinsamer Konsens gefunden werden müssen, der alle Mitgliedsstaaten einbezieht und sie zu Hilfe und Solidarität, und sei es nur durch finanzielle und diplomatische Hilfe, verpflichtet.

Es liegt an Europa

Es liegt nun an Europa und seinen Partnern, die Entwicklungs- und Flüchtlingshilfen international auszuweiten, weiter mit Nachdruck diplomatisch zu einer Entschärfung der Lage in Syrien und anderen Krisenherden beizutragen, bei den bis jetzt angekommenen Menschen in einem rechtsstaatlichen Verfahren über deren Asylrecht zu entscheiden und die anerkannten Flüchtlinge bestmöglich zu integrieren. Man muss aus dieser Krise lernen und einen nachhaltigen Plan entwickeln, um in Zukunft möglichst viele Bedürftige zu unterstützen und das Problem nicht nur von einer Grenze zur anderen zu verlagern. (Daniel Guzmics, 11.3.2016)