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Ankara fordert eine Bestrafung Jan Böhmermanns. Berlin prüft das türkische Ansuchen gegen den TV-Satiriker.

Foto: dpa / Britta Pedersen

Berlin/Wien – In der Causa Böhmermann setzt die deutsche Regierung auf Zeit, um die Satire-Eskalationsspirale zu bremsen. Nachdem am Sonntag bekannt geworden war, dass Ankara offiziell ein Strafverlangen gegen den deutschen TV-Satiriker Jan Böhmermann gestellt hat, gab Berlin bekannt, dass das Ansuchen geprüft werde. Dies werde ein paar Tage dauern, sagte Regierungssprecher Steffen Seibert am Montag. Dazu hätten Außenamt, Justizministerium und Kanzleramt Gespräche aufgenommen.

Paragraf 103 des deutschen Strafgesetzbuches stellt die Beleidigung ausländischer Staatsoberhäupter unter Strafe. Anders als bei jenem Strafantrag, den der türkische Präsident Tayyip Erdogan über eine Anwaltskanzlei wegen "normaler" Beleidigung nach Paragraf 185 einbringen ließ, muss die Bundesregierung einem Verfahren nach Paragraf 103 zustimmen – und das bringt sie in Bedrängnis.

Das Außenamt prüft

Böhmermann hatte in seiner Sendung Neo Magazin Royale Ende März mit einer "Schmähkritik" gegen den türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan bewusst die Grenzen von Satire aufgezeigt und so für eine Verschärfung der diplomatischen Krise mit Ankara gesorgt. In der Folge hatte die Staatsanwaltschaft Mainz nach mehreren privaten Anzeigen Ermittlungen aufgenommen. Das Außenministerium ließ intern prüfen, ob Böhmermanns Gedicht eine Strafverfolgung rechtfertige.

Bundeskanzlerin Angela Merkel bezeichnete in einem Telefonat mit ihrem türkischen Amtskollegen Ahmet Davutoglu den Beitrag als "bewusst verletzend".

In der TV-Diskussionsrunde von Anne Will zum Thema "Streit um Erdogan-Kritik – Kuscht die Bundesregierung vor der Türkei?" rechtfertigte dies der EU-Abgeordnete Elmar Brok damit, dass auch Merkel ein Recht auf ihre Meinung habe.

Weitere Satireversuche

Der Satiriker löste mit seinem obszönen Gedicht in Deutschland eine breite Debatte über Meinungsfreiheit aus, hält sich seit der Löschung seines Beitrages durch das ZDF aus der öffentlichen Diskussion allerdings selbst heraus. Er erschien auch nicht zur Verleihung des Grimme-Preises, den er für sein "Varoufake"-Video verliehen bekam.

Unterstützung erhält Böhmermann nun auch von Komiker-Urgestein Dieter Hallervorden, der sich über seinen Facebookaccount mit einem eigenen Lied an den türkischen Präsidenten wandte: "Erdogan, zeig mich bitte auch mal an! ... Ich sing einfach was du bist: ein Terrorist, der auf freien Geist nur scheißt".

SUNROCK

Sogar Mathias Döpfner stellte sich am Wochenende in einem offenen Brief auf die Seite Böhmermanns: "Ich habe laut gelacht", schrieb der Springer-Chef.

"Fickt Euch Ihr Feuilleton Lutscher!!!"

Doch auch kritische Töne werden in der Debatte laut. So äußert sich der Barde Bushido auf Twitter über die Medien: "Ist man ein #Boehmermann ist es Kunst, ist man Rapper landet es auf dem Index. Fickt Euch Ihr Feuilleton Lutscher!!!"

Der Fall Böhmermann wirft jedenfalls grundlegende Fragen auf, wie zeitgemäß und gerechtfertigt eine Strafgesetzgebung wie jene des Paragrafen 103 ist. In Österreich existiert keine vergleichbare Regelung zum Schutz ausländischer Staatsoberhäupter, wie Medienanwältin Maria Windhager im Gespräch mit dem STANDARD feststellt. Die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte (EGMR) stelle politische Satire darüber hinaus unter besonderen Schutz.

In Deutschland liegt der Strafrahmen für Beleidigung nach Paragraf 185 mit bis zu einem Jahr höher als in Österreich (drei Monate). Mit Paragraf 103 können drei bis fünf Jahre Haft verhängt werden. (Michael Vosatka, 11.4.2016)

Dieter Hallervorden über die Motivation für sein Erdogan-Lied.