ORF-Generaldirektor Alexander Wrabetz verteidigt die Einladung Werner Faymanns zum Solo-Interview bei "Im Zentrum".

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Wien – ORF-Chef Alexander Wrabetz verteidigt den Solo-Auftritt von Bundeskanzler Werner Faymann (SPÖ) in der ORF-Talk-Sendung "Im Zentrum". Das Interview, das Sonntagabend knapp 600.000 Österreicher sahen, hatte in den vergangenen Tagen für heftige Kritik gesorgt. "Die Entscheidung, wer in welchem Format zu welchem Thema vom ORF eingeladen wird, ist Angelegenheit der zuständigen Redaktion", so Wrabetz.

Der ORF-Generaldirektor reagierte damit auf eine Anfragen-Serie von mehreren ORF-Stiftungsräten, die über das Zustandekommen der umstrittenen Programminitiative Aufklärung gefordert hatten. "Die Initiative zur 'Im Zentrum'-Sendung ging von der Hauptabteilung 'Aktueller Dienst' (FD1) aus", antwortete Wrabetz Montagnachmittag in einem der APA vorliegenden Schreiben den Stiftungsräten. Hinter der Abkürzung FD1 steckt die von Chefredakteur Fritz Dittlbacher geleitete Fernsehinformation des ORF. Wrabetz: "Die Entscheidung der Redaktion die Sendung in dieser Form durchzuführen war rechtskonform und im Rahmen der Programmrichtlinien. Frau Thurnher führte das Gespräch auf bestem öffentlich-rechtlichem Standard. Das außerordentlich hohe Publikumsinteresse unterstreicht die Plausibilität der redaktionellen Entscheidung."

Sonderformat über dem Sendungsschnitt

Das politisch umkämpfte Sonderformat landete mit 599.000 Sehern und 28 Prozent Marktanteil deutlich über dem Sendungsschnitt von "Im Zentrum", der heuer bisher bei 454.000 Sehern und 22 Prozent Marktanteil lag. ÖVP, FPÖ und Grüne warfen dem ORF im Vorfeld der Übertragung mangelnde Objektivität und Ausgewogenheit vor. Die ÖVP ortete gar "Bestellfernsehen" im Auftrag der SPÖ und ließ durchblicken, dass man ORF-General Wrabetz bei der Wahl der neuen ORF-Führung im Sommer nicht unterstützen werde. Mehrere ORF-Stiftungsräte quer durch die politischen Lager forderten von Wrabetz in thematisch abgestimmten Anfragen Infos zur Causa.

Die Einladung Faymanns begründete der SPÖ-nahe ORF-Chef mit der "in ihrer Tragweite bedeutendsten Sitzung des Europäischen Rates der letzten Jahre. Erstmals seit dem EU-Beitritt ist das Verhalten des österreichischen Bundeskanzlers maßgeblich für eine Richtungsänderung der Politik auf europäischer Ebene ausschlaggebend. Erstmals besteht in einer wesentlichen europäischen Frage keine Übereinstimmung mit der Bundeskanzlerin der Bundesrepublik Deutschland. Die Position des Bundeskanzlers unterscheidet sich maßgeblich von jener, die die österreichische Bundesregierung noch vor der Jahreswende vertreten hatte. Die Entscheidungen des Europäischen Rates haben substanzielle Auswirkungen auf die tatsächliche Entwicklung in Europa, auf Wahlauseinandersetzungen und die Sicherheitslage auf dem Kontinent."

"Informationsauftrag"

In dieser Situation entspreche es "dem Informationsauftrag des ORF den Vertreter Österreichs im Europäischen Rat zu den beiden Gipfeln und der österreichischen Politik intensiv, objektiv und kritisch zu befragen", erklärte Wrabetz. "Ebenso plausibel ist es, so wie in zahlreichen anderen europäischen Ländern (zuletzt Anne Will in Deutschland), eine spezielle Ausgabe eines bestehenden Informationsformates zu wählen. Das außerordentliche hohe Publikumsinteresse zeigt, dass die redaktionelle Entscheidung, in einer speziellen Situation mit einem besonderen Informationsangebot zu reagieren, richtig war."

ÖVP komme nicht zu kurz

Ein ausführliches Interview unmittelbar nach Abschluss des letztwöchigen EU-Gipfels sei im Sinne eines Fernsehschemas "nicht planbar" gewesen, weil EU-Gipfel für gewöhnlich "open end" sind, schrieb Wrabetz an die Vertreter des obersten ORF-Gremiums. "Die Meinungsvielfalt der österreichischen Bundesregierung im Hinblick auf die Ergebnisse des EU-Gipfels wird durch die aktuelle Berichterstattung und diverse Studio-Einladungen sichergestellt", meinte der ORF-Chef weiter. Wrabetz verwies etwa auf die jüngsten Besuche von Vizekanzler Reinhold Mitterlehner (ÖVP) bei "Im Zentrum" und in der "ZiB2" sowie von Außenminister Sebastian Kurz (ÖVP) und EU-Kommissar Johannes Hahn (ÖVP) ebenfalls in der "ZiB2". Kurz steht laut Wrabetz am Dienstag darüber hinaus auch in der Sondersendung "Österreich-Report" um 20.15 Uhr für ein Interview zur Verfügung.

Wrabetz: "Das substanzielle Übergewicht von Vertretern der Volkspartei ergibt sich aus den Funktionen Außenminister, EU-Kommissar, sowie Vizekanzler und Parteivorsitzender. Die Oppositionsparteien und Organisationen der Zivilgesellschaft kamen zum Thema 'Flüchtlinge' in den ORF-Medien von Anfang Februar bis Mitte März 593 Mal vor. Die EU-Gipfel und ihre Auswirkungen werden in den Medien des ORF zweifellos auch in den kommenden Wochen eine wichtige Rolle spielen und sowohl Vertretern der Zivilgesellschaft, der Opposition als auch der unterschiedlichen Strömungen in der Bundesregierung ausreichend Gelegenheit zur Stellungnahme geben, sodass insgesamt die Darstellung der Meinungsvielfalt zu diesem Thema umfassend gewährleistet wird." (APA, 14.3.2016)