"Ist das Ihr Europa, Herr Faymann?" – Zu diesem Thema befragte Ingrid Thurnher den Kanzler.

Foto: APA/Oczeret

"Wir haben geholfen, und darauf bin ich stolz", sagte Werner Faymann.

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Das Setting ist bekannt, aber diesmal war der Kanzler alleine zu Gast. Es gab ein Solo mit Werner Faymann bei "Im Zentrum" am Sonntagabend, moderiert von Ingrid Thurnher, heftig kritisiert von der ÖVP.

"Ist das Ihr Europa, Herr Faymann?", war der Titel, und Frau Thurnher sagte: "Danke, dass Sie die Einladung angenommen haben" – wohl auch um Gerüchten über SPÖ-Interventionen im ORF entgegenzuwirken.

Schreckliche Bilder

Die schrecklichen Bilder aus Idomeni zeigten die Notwendigkeit, dass es eine gemeinsame Lösung braucht, führte Faymann aus. Konkret nannte er Verteilerzentren, die den Flüchtlingen klarmachen sollten, dass sie sich nicht aussuchen könnten, wo sie Schutz bekommen. Er habe mit dem portugiesischen Regierungschef gesprochen, der wollte 7.000 Flüchtlinge nehmen, habe aber nur 200 bekommen.

Angesprochen auf die "hässlichen Bilder" aus Griechenland sagte Faymann, es gebe das Signal, dass die Balkanroute zu sei, "es gibt kein Durchwinken mehr". "Dass jemand zu Schaden kommt, ist nicht vorzusehen."

Menschlichkeit und Ordnung

Die EU könne nun zeigen, dass sie Menschlichkeit mit Ordnung verbinden könne. "Wir haben geholfen, und darauf bin ich stolz", sagte Faymann, daher habe Österreich die moralische Kraft, darauf zu dringen, dass jetzt Ordnung komme.

Österreich habe jedenfalls handeln müssen, es habe sich in den letzten Monaten des vergangenen Jahres gezeigt, dass immer mehr Flüchtlinge nicht nach Deutschland weiterreisten, sondern in Österreich um Asyl angesucht. Es wäre aus des Kanzlers Sicht unverantwortlich gewesen, wenn er nichts unternommen hätte.

Die Route ist zu

Faymann sprach sich klar für ein Abkommen mit der Türkei aus, auch wenn er einräumte, dass die Türkei kein einfacher Partner sei. Klar sei auch, dass die Türkei das Flüchtlingsproblem nicht für die EU lösen könne. Ziel sei es, die Grenzen gemeinsam zu schützen und Flüchtlinge, die illegal die Grenze überschritten haben, wieder zurückzuführen. Faymann: "Das spricht sich schnell herum, dass die Route zu ist." Im Gegenzug würden die europäischen Staaten dann Flüchtlinge, die legal in der Türkei sind, übernehmen. Faymanns Aber: "Ich möchte mich nicht darauf verlassen."

Sollte die Türkei alle Kriterien erfüllen, sei er dafür, dem Land Visa-Freiheit für seine Bürger zu gewähren. Ein EU-Beitritt komme, das versuchte der Kanzler deutlich zu machen, aber nicht infrage, da müsste es zuvor auch eine Volksabstimmung in Österreich geben. Die Türkei habe einen Vollbeitritt aber gar nicht verlangt, sagte Faymann.

Kein Wartezimmer

Mit Deutschlands Kanzlerin Angela Merkel habe er sich im Winter entzweit, als er erkannt habe, dass es keine europäische Lösung geben werde, und ihm klarwurde: "Wir sind nicht das Wartezimmer Deutschlands."

Die Einführung von Obergrenzen sei "Notwehr als Plan B" gewesen. "Und was ist passiert?", fragte der Kanzler. "Aufgeweckt haben wir die Kollegen." Die Balkanroute sei dichtgemacht worden, jetzt habe er nur Angst, dass diese wieder aufgemacht werde.

Die Realität im Auge

Konfrontiert mit Aussagen von Außenminister Sebastian Kurz (ÖVP), der früh ein Ende des Durchwinkens gefordert hatte, bestritt Faymann, auf ÖVP-Kurs geschwenkt zu sein. Er habe seine Meinung geändert, und er habe im richtigen Gremium, nämlich dem der EU-Regierungschefs, dafür gestimmt, das Durchwinken zu beenden. Dass Umfragewerte eine Rolle gespielt haben, wies der Kanzler weit von sich: "Umfragen interessieren mich überhaupt nicht." Er habe die Pflicht, der Realität ins Auge zu schauen.

Kein Platz für Hasser

Faymann hoffe, dass die Demonstration und Gegendemonstration am Montag aus Anlass eines Flüchtlingsheims in Wien-Liesing friedlich abgehen, "in Österreich ist kein Platz für Hasser". Dass die Boulevardzeitungen maßgeblich zur Polarisierung der Bevölkerung beitrügen, wollte Faymann nicht kritisieren, "ich bin nicht der Richter der Zeitungen, ich mische mich nicht ein". "Abqualifizierungen" mag er aber nicht, sagte der Kanzler.

Dass ihm die Parteijugend bei seiner jüngsten Rede vor Wiener Genossen riet: "Werner, raus aus dem rechten Eck", sei zu viel Ehre für das rechte Eck, sagte Faymann. Fehler wollte er in seiner Politik keine eingestehen. "Eines können wir uns nicht vorwerfen: dass wir nicht menschlich waren und dass wir nicht als Erste aufgeschrien haben." (Michael Völker, 13.3.2016)