Bild nicht mehr verfügbar.

Wer in Europa Hilfe sucht, dem sollte hier mit Respekt begegnet werden.

FOTO: APA/ROBERT JAEGER

Ich bin derzeit erschüttert über die täglichen Meldungen, die uns aus vielen Teilen der Welt erreichen und froh darüber, wie gut es uns im Gegensatz dazu in Österreich geht. Als Arzt kenne ich viele der schrecklichen Schicksale der Flüchtlinge, die hier einen Platz suchen, um in Frieden zu leben.

Regelrecht entsetzt bin ich allerdings über den Umgangston, der sich in unserem Land in Bezug auf die Menschen eingestellt hat, die Hilfe in Europa suchen. Wenn ich dann von Funktionären der FPÖ höre, wie man abschieben soll, oder die Kommentare dazu in den Internetforen lese, gefolgt von Anschuldigungen gegen Volks- und Religionsgruppen, die hinter menschlichen Tragödien wie in Graz stehen sollen, werde ich langsam nicht mehr traurig, sondern zunehmend wütend.

Ein Gedankenexperiment

Diese Woche stellte sich meine Berufsgruppe die Frage, ob wir in den Streik treten sollten, um unsere Arbeitsbedingungen zu verbessern. Ich lade zu einem Gedankenexperiment ein: Was wäre, wenn sich unsere Mitbürger mit Migrationshintergrund im Streik befinden würden, um sich gegen Diskriminierung, Anfeindungen und ungleiche Behandlung zu wehren?

Ich hätte die Klinik verdreckt vorgefunden, denn es gibt kein österreichisches Reinigungspersonal mehr. Unsere Pflegekräfte wären in Schwierigkeiten, da derzeit die Hälfte von ihnen nicht im selben Land geboren ist wie ich. Für unsere Ärzte aus Rumänien, Deutschland, Ghana und vielen anderen Ländern der Erde gilt dasselbe. Mein Dönerkebap wäre ebenso wie meine Pizzaschnitte heute nicht zum Verkauf gestanden, und da ich heute von einem freundlichen türkischen Fahrer der Wiener Linien befördert wurde, wäre ich auch zu spät an meinem Arbeitsplatz erschienen. Dieses Gedankenexperiment könnte man sehr lange so weiterführen.

Österreich braucht alle seine Bürger – egal welcher Herkunft sie sind. Und unabhängig davon, wie wir die Flüchtlingsproblematik lösen, bitte ich um den nötigen Respekt, mit dem auch wir selbst behandelt werden wollen. Denn der alltägliche Rassismus muss irgendwann ein Ende finden. (Helmut Krönke, 2.7.2015)