Wenn mir ein großer Esser von Langenwang vorschwärmt: Dann trag ich mir das Ziel in meine lange To-Eat-Liste ein. Für irgendwann, bei dem's meist auch für ein paar Jahre bleibt, bis der Koch nicht mehr da oder nicht mehr ganz so ambitioniert oder so ist. Auch wenn hinter dem großen Esser eine noch größere Esserin steht, die demnächst in einer führenden Gourmetzeitschrift weit kundiger als ich aus Langenwang berichten dürfte.

Und wenn mir dann nur 36 Stunden später ein auch nicht kleiner Esser (und Wirtssohn) ungefragt von Langenwang vorschwärmt: Dann frag ich die Wunderbare binnen Zehntelsekunden, ob sie nicht am nächsten Wochenende mir ins Steirische fahren will, weil ich dann nämlich dort wär'.

Es braucht nicht lang nach ...

Gut, nachhaltig ist das natürlich nicht, und ökologisch schon gar nicht, wenn man für einen Sechsgänger eine gute Stunde durch Wiener Becken und Semmering dieselt und am nächsten Tag früh zurück, weil der Sonntag schon wieder in Wien verplant ist. Da hilft's auch nachhaltigkeitsmäßig wenig, dass auch Kollegen Cortis gar nicht genug zu lobender Slow-Food-Führer für Österreich das Wirtshaus empfiehlt.

Und: Solche kulinarischen Kommandoaktionen wie mein hastiges Hinundwiederwegtschundern widersprechen auch noch völlig der Idee von Astrid und Andreas Krainer, ihre Zutaten aus der Region zu holen. Aber, immerhin, auch nicht immer: Die ansehnliche Trüffel, die mir Senior Hermann Krainer über die Hoden hobelte, kamen aus Istrien.

Aber ich war ja nicht wegen der Trüffel in Langenwang. Wie sie gleich sehen - hier geht's lang nach Langenwang...

Sehr schöne Butter in Knochenform, Blunzenquiche (yeah!) und - einer der besten Liptauer meines Lebens. Und ich mag Liptauer wirklich nicht. So lässt sich einsteigen beim inzwischen zweimal behaubten, dreimal von A la Carte besternten

Hotel Restaurant Krainer

Großartiges Menü in sechs Gängen für 65 Euro, die sehr gute Weinbegleitung kam auf nochmals 29,90 Euro, für die Trüffel nahm man 8 Euro pro Gramm.

Foto: Harald Fidler

Über diesem Essen vergisst man in Sekunden das vermutlich vor einiger Zeit mit sehr viel Aufwand auf den Stand irgendwo zwischen 1980ern und 1990ern gebracht wurde: Räucherforelle in Brotteigpolster mit Krenmousse und Apfel und nicht nur schönen roten Rüben. 

Foto: Harald Fidler

Wenn ich mich einmal für Salat entscheide, kann das praktisch nur an den fleischlichen Beigaben liegen: Steirische Gansleber geräuchert und mariniert (phew!) ziert diesen "Winterlichen Gemüsesalat", in dem ich nicht alleine die ausgewiesenen Maroni, getrockneten Trauben und eingelegten Birnen zu entdecken glaubte. Aber: Auch das Gmias eine Pracht wie Wucht.

Foto: Harald Fidler

Flusskrebse oder Stierhoden? Die Wunderbare zog die Schalentiere vor, verputzte die Bauerntopfentascherl (mit Mangold und Nussbuttersauce) dazu leider so schnell, dass ich keinen Bissen davon bekam - und ließ mir zum Trost dann doch die Krebse. Soll mir echt nichts Unangenehmeres passieren.

Foto: Harald Fidler

Ich, klar, wählte die Landeier, wie die Stierhoden hier traditionellerweise, aber heute gerade nicht auf der Karte hießen. Klein gewürfelt und gebraten scheint mir die bisher vernünftigste Form, mit den Weichteilen umzugehen - verglichen mit größeren Stücken in Panier oder gar im Ganzen (vom Pferd) einst beim Stiegl Max oder von wolligeren Viechern als "weiße Nieren" noch viel einster im so nicht mehr existierenden Kaiserwalzer.

Das gewürfelte Braten macht das eher schwammige Gewebe fester, sagte mir mein Vergleich mit auch schon länger zurückliegenden Vergleichsobjekten. Vielfältig die dazu kombinierten Texturen - ein Eidotter, der so prächtig schmeckt, wie er Orange leuchtet, auf Selleriepüree mit knusprigem Schinken vom Johann aus Trautmannsdorf (Steirawirt Richard Rauch kocht inzwischen so).

Die Trüffel hätt's übrigens nicht gebraucht (wie oft). Aber nein sagen ist einfach nicht meine Stärke, scheint mir. Schon gar nicht bei den kleinen Stinkern.

Foto: Harald Fidler

Was erfrischt mich bloß so? Wunderbar unsüßes, gelungenes Karottensorbet mit - wenn mich jetzt nicht alles täuscht - zart süßem Schafsjoghurt. Yeah.

Foto: Harald Fidler

So schön: Huchenfilet aus Mariazell mit Steinpilzstampferdäpfeln und ein paar äußerst dekorativen Pilzchen, Schalotten und Petersil. Und wie gut. Die Wunderbare fand, sie hatte mit dem Huchen eindeutig die bessere Fischkarte gezogen. Und überließ mir doch selbstlos die Hälfte - um meine...

Foto: Harald Fidler

... Forelle zu kosten - deren Begleitung mich ja gar fast noch ein Alzerln mehr begeisterte als Pilz und Erdäpfel: Rollgerstlrisotto nämlich, farblich abgestimmt auf den lauwarmen Rotkrautsalat, dazu Haselnüsse - und die cremige Begleitung hab ich jetzt glatt verschwitzt. Zitronig? Wo hab ich bloß meine Notizen gelassen? Hollandaise, sagt die Wunderbare. Und die hat praktisch immer recht.

Foto: Harald Fidler

Dieser wirklich, wirklich intensive Lammraviolo stimmt auf den Fleischgang ein - mutig intensiv lammig, freute ich mich über ordentlich Kostgelegenheit.

Foto: Harald Fidler

Meine Einstimmung fand ich ja fast noch ein bisschen spannender: Reh-Steinpilzconsomme. Hey!

Foto: Harald Fidler

So kommt das Lamm: Racks und Herz waren jedenfalls dabei, geschmorte Schulter, wenn mich nicht alles täuscht - und alles sehr, sehr gut. Polentaröllchen. Apfelchutney. Und mit Ofenfenchel überzeugten die Krainers die Wunderbare letztgültig - sofern das noch nötig sein konnte. Und bevor sie auf meinen Teller spitzelte...

Foto: Harald Fidler

Ziemlich fad und grau erschien mir auf den ersten Blick das ein bisschen wuchtig wirkende Traubenkernnudelblatt, das sich hier in der Unschärfe hinter dem Reh (wow!) verliert. Ich lerne gerne: Das Blatt blieb ganz ohne die befürchtete Vollkornkratzigkeit und Langeweile, eine überraschend schöne Begleitung zum Filet wie Quittenpünktchen und Schwarzwurzel (lang nicht gehabt, ich schließe: zu lang). All das hätte die Wunderbare nicht ins Schmachten gebracht - aber die mit einer intensiven Creme ihrer Artgenossen gefüllten Kohlsprossen. Hach, hauchte sie. Vollkommen zurecht.

Foto: Harald Fidler

So ein Käse! Creme vom Arzberger Stollenkäse auf warmem Topinambur und Honig-Walnüsse. Hach!

Foto: Harald Fidler

Steirischer Ziegenkäse in drei Generationen mit Gojibeeren, bis auf den frisch-festen, der mich nicht so brennend interessierte, auch sehr schön. Die Beeren kommen übrigens aus Trautmannsdorf, also auch steirisch, erfuhr ich auf Nachfrage. Und ihr Sorbet eine Freud!

Foto: Harald Fidler

Dessertlandschaft für die Wunderbare, Teil 1, mit fantasievollem Titel: "Schneeweiße Lammeralm-Abfahrt". In den Hauptrollen: weißes Kaffeeparfait, Milcheis, Schoko-Anis-Creme und Spekulatius. Sehr spannend. Kann ich bestätigen.

Foto: Harald Fidler

Dessert 2: Sehr schöne Schokotarte mit Kürbiskerncrememützchen und Hokkaido-Gewürzsorbet sowie Kaki (die wird mir immer sympathischer!).

Foto: Harald Fidler

Nur die Petits Fours waren mir ein Stück zu süß...

 

Foto: Harald Fidler

... aber schon herzig, keine Frage, die Pistazien in weißer Schokolade.

Und von den süßen Kleinigkeiten zum Schluss darf man sich nicht abhalten lassen - so wenig wie vom Interieur. Ab nach Langenwang. Das ist eine wirklich ernste Empfehlung. (Harald Fidler, derStandard.at, 3.12.2013)

Foto: Harald Fidler