Wien – Wenn im Kaffeehaus über das Leben, Gott und die Welt philosophiert wird, dann führen die Gespräche meist zu Seufzern. Früher war noch vieles besser, das Gras quasi grüner. Der STANDARD nimmt diesen Gemeinplatz zum Anlass für eine Serie und nimmt unter die Lupe, wie sich das Leben für junge Erwachsene in Österreich entwickelt hat.

Bereits erschienen sind Beiträge zu Arbeit, Wohnen und Familie. Dieser widmet sich der Frage: Wie haben sich die Einkommen von jungen Erwachsenen entwickelt, und können sie sich heute mehr oder weniger leisten als ihre Eltern vor 30 Jahren?

Der materielle Wohlstand ist über die letzte Generation gestiegen. Die Auswahl an Produkten hat sich vervielfacht, vieles ist im Preis gesunken. Der Wifo-Ökonom Josef Baumgartner hat für den STANDARD verglichen, wie lange ein durchschnittlicher Industriearbeiter heute und vor rund 30 Jahren arbeiten musste, um sich bestimmte Güter und Dienstleistungen kaufen zu können.

Kaufkraft ist gestiegen

Für ein halbes Kilo Bohnenkaffee musste er oder sie 1986 noch 32 Minuten schuften. Heute sind es 20. In einem Kilo Schweinefleisch steckten damals noch 70 Arbeitsminuten, heute 40. Aber nicht nur Lebensmittel sind heute deutlich leistbarer als früher. Dasselbe gilt auch für Kleidung. Der Aufwand für ein Herrenhemd ist um ein Drittel zurückgegangen, Kleider sind um mehr als 40 Prozent leistbarer geworden.

Die enorme technologische Entwicklung machte auch viele Geräte wie Waschmaschinen, Elektroherde und Staubsauger billiger. Viele Dinge gab es früher freilich noch gar nicht, wie etwa Smartphones. Auch das Reisen ist dank des starken Wettbewerbs durch Billigflieger viel günstiger geworden.

Für Wohnen muss man heute mehr zahlen als früher.
Foto: apa / gebert

Teurer geworden ist hingegen Wohnen. Für eine Monatsmiete für eine 100-Quadrameter -Wohnung muss ein Industriearbeiter heute 50 Stunden arbeiten, vor 30 Jahren waren es noch 45, so eine Studie des Verbands der Immobilienwirtschaft. Auch für die Dienste eines Mechanikers oder Installateurs muss heute wesentlich mehr als noch vor 30 Jahren auf den Tisch gelegt werden.

Das liegt in erster Linie an den höheren Lohnsteuern und Sozialbeiträgen, sagt Wifo-Ökonom Baumgartner. 1990 hat der durchschnittliche Arbeitnehmer noch 60,5 Prozent seines Lohns oder Gehalts selber eingesteckt, 2013 waren es nur mehr 54 Prozent. Der Rest geht an den Staat und die Sozialversicherung. Nimmt man ein konstantes Bruttoeinkommen von 3000 Euro an, bleiben so heute 200 Euro weniger. Die Zahlen stammen aus einer Studie von zwei Ökonomen der Oesterreichischen Nationalbank (OeNB).

Ein Blick auf die Konsumausgaben verdeutlicht, wie sich der materielle Wohlstand über die letzte Generation entwickelt hat. Pro Kopf geben die Österreicher heute 50 Prozent mehr Geld aus als noch 1990.

Höhere Einkommen

Die Kaufkraft ist also gestiegen, auch wenn sich der Staat mehr von den Einkommen einbehält. Aber wie haben sich die Löhne und Gehälter entwickelt?

Das mittlere Einkommen der 20- bis 30-Jährigen ist heute nicht recht viel höher als zu Beginn der 1990er. Es sind nur ein paar Prozent mehr. Das zeigt eine Auswertung von Stefan Humer, der am Institut Economics of Inequality an der Wirtschaftsuniversität Wien forscht. Das ist zwar ein guter Indikator dafür, wie viel Geld junge Menschen haben. Weil Junge heute aber öfters studieren und so nur Nebenjobs annehmen, verrät es wenig über die Entwicklung der Stundenvergütung.

Mindestlöhne gestiegen

Dazu eignet sich ein Blick in die Kollektivverträge. Wer seinen ersten Job annimmt, verdient oft nicht mehr als den kollektivvertraglichen Mindestlohn. Der ist für Arbeiter seit 1990 im Durchschnitt um 49 Prozent gestiegen. Dabei ist die Teuerung bereits abgezogen. Angestellte kommen immerhin noch auf ein Plus von 40 Prozent.

Junge Erwachsene haben heute also nicht recht viel mehr Geld als früher, weil sie später zu arbeiten beginnen. Wenn sie aber einen Job haben und nach Kollektivvertrag bezahlt werden, verdienen sie real wesentlich besser als früher. (Andreas Sator, 6.8.2016)