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Frankreichs Laizismus trennt Kirche und Staat. Für Joachim Schreiber fehlt das hierzulande.

Foto: APA/dpa/Karl-Josef Hildenbrand

In ihrem Kommentar für die "Welt" schreibt die Islamkritikerin und Frauenrechtlerin Ayaan Hirsi Ali, was offenbar nur jemand wie sie laut aussprechen darf: dass nämlich die Anschläge in Paris – so wie auch die Anschläge von London oder der Mord am niederländischen Regisseur Theo Van Gogh – sehr wohl etwas mit der Religion zu tun haben. Wer diesen Umstand leugnet, spielt undifferenzierten Hetzern wie der islamfeindlichen Pegida-Bewegung direkt in die Hände.

Falsch verstandene Political Correctness

Wir stellen uns mit falsch verstandener Political Correctness, die allzu sehr in Appeasement mündet, selbst ein Bein: Das Königreich Saudi-Arabien, dessen "Dialogzentrum" wir hier in Wien beherbergen dürfen, hat im vergangenen Jahr in etwa zehnmal so viele Menschen durch Enthauptung oder Steinigung hingerichtet wie der IS westliche Geiseln – unter anderem wegen so lächerlicher Vorwürfe wie Gotteslästerung, Ehebruch, Homosexualität oder Hexerei. Wie viel Dialogfähigkeit können und wollen wir so jemandem zugestehen? Und ihm auch noch eine Plattform zur Verfügung stellen?

Trennung von Kirche und Staat

Apropos Plattform. Frankreich lebt den Laizismus, die strenge Trennung von Kirche und Staat. Anders in Österreich. Stichwort Kreuze in Schulgebäuden, religiöse Symbole in öffentlichen Einrichtungen.

Nie würde jemand mit einem Pastafari-Nudelsieb am Kopf an einem Ministeriums-Arbeitsplatz geduldet werden – selbst wenn er oder sie das Sieb sogar am Führerscheinfoto tragen dürfte. Rastafari-Schülern oder jenen, die sich dafür halten, ist es ebenso untersagt, im Raucherhof einer Schule ihre Joints zu rauchen.

Nichts über dem Ideal der Meinungsfreiheit

Es herrscht Religionsfreiheit, ja. Diese garantiert die freie und öffentliche Ausübung. Wie öffentlich, dies abzuklären ist unsere demokratische Aufgabe. Die Trennung von Kirche und Staat muss sicherstellen, dass zweifelsfrei feststeht, dass kein Muslim, Jude, Christ oder Pastafari auch nur kurzfristig auf die Idee kommt, seine Religion stehe über dem Ideal der Meinungsfreiheit oder könne sich moralisch über Atheismus oder Agnostizismus erheben.

Wenn wir Kirche und Staat nicht endlich voneinander trennen, schaffen wir die Grundlage dafür, dass die scheinbare Erhöhung und Bevorzugung der Glaubensrichtungen – und einzelner im Besonderen – das Fundament bildet, um sich über andere zu stellen.

Besser, wir bringen bald Kants Spruch "Sapere aude" (Wage es, weise zu sein, Habe Mut, dich deines eigenen Verstandes zu bedienen) in jedem Klassenzimmer an. (Joachim Schreiber, derStandard.at, 19. Jänner 2015)