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Zu der Zeit des Sturms, der bunten Blätter und der nebligen Nächte gehört auch die schöne Institution des Kabarett-Herbstes.

Foto: APA Gindl

Falls es Ihnen entgangen sein sollte: Der Herbst hat bereits voll eingesetzt. Zu der Zeit des Sturms, der bunten Blätter und der nebligen Nächte gehört auch die schöne Institution des Kabarett-Herbstes. Doch die bei den diversen Kleinkunstfestivals auftretenden Alleinunterhalter drohen zu verhungern angesichts der geballten medialen Präsenz der heimischen Spaßmacher-Elite: Herbstzeit ist nämlich auch Wahlkampfzeit.

Wenige Tage nachdem die "Tagespresse" Frank Stronachs Kandidatur für den Nationalrat als Satireprojekt outete, preschte Wirtschaftskammerpräsident Christoph Leitl mit der Wuchtl über das "abgesandelte Österreich" vor. Schwer zu sagen, was komischer ist: dass Leitl in eine einzige, eigentlich gegen die SPÖ gerichtete Aussage alles verpackt, was man über die Wirtschaftskompetenz der das Wirtschaftsressort seit Jahrzehnten innehabenden ÖVP wissen muss, oder doch die Tatsache, dass der rote Koalitionspartner sich als völlig unfähig erweist, einen geschenkten Elfer zu versenken.

Apropos Kompetenz und versenkte Elfer: Mit kaum einem anderen Thema ist in Österreich so leicht zu punkten wie mit der Atomkraft - deren Ablehnung ist natürlich breiter Konsens. Die Ratschläge des Umweltministers Nikolaus Berlakovich bezüglich der Abschaltung des Atomkraftwerks Fukushima wird Japan sicher dankbar aufgreifen. Wer hätte gedacht, dass die Problematik der undichten Wassertanks und der geschmolzenen Reaktorkerne so einfach lösbar ist? Immerhin hat Österreich sein Kernkraftwerk Zwentendorf absolut tsunamisicher gebaut.

Verteidigungsminister Gerald Klug wollte seinem Regierungskollegen daraufhin offensichtlich nicht nachstehen und seine internationalpolitische Kompetenz unter Beweis stellen, weshalb er in einem Brief an die US-Botschaft seinem US-Kollegen Chuck Hagel die Entsendung von österreichischen Chemiewaffenexperten nach Syrien anbot - natürlich nur "in einem sicheren Umfeld" und "nach Lösung des Konflikts", wie sein Sprecher versichert. Ein Paradoxon, wäre der Minister mit seinem Namen doch eher für die Rolle des "Gescheiten" in der klassischen Doppelconférence prädestiniert.

Ganz genau wie beim Berufskabarett sind auch bei der dilettierenden Politkonkurrenz Frauen eher unterrepräsentiert und leider auch im gleichen Maße selten lustig. Auf der Wahlkampfbühne versuchen sich Trixi und Hanni mit einer Doppelconférence, das dargebotene, zigfach aufgewärmte Programm "Law & Order" wirkt auf das verwöhnte Publikum angesichts des breiten Alternativangebots aber eher abgelutscht. Maria Vassilakous Meisterwerk der Straßenkunst taugt da schon eher zum spaßigen Dauerbrenner.

Niemals langweilig wird es auch mit der Partei der unglaublichen Verkettung von Einzelfällen, der FPÖ, die ihr Niveau seit vielen Jahren zu halten vermag. Exemplarisch sei daher nur ein Sketch erwähnt: Der Versuch des notorischen Einzelfalls Reinhart Gaugg ("Neu, attraktiv, zielstrebig, ideenreich"), der Kärntner SPÖ beizutreten, wurde von den humorlosen Genossen umgehend abgelehnt. Schade, das wäre der Running Gag des nächsten Villacher Faschings gewesen.

Einer jedoch, und Sie ahnen schon, wer, stellt sie alle in den Schatten: der König der Politspaßmacher, der darüber hinaus als Guru seiner eigenen Partei auch noch das Zeug zum Philosophen hat. Er feuert ein wahres Gag-Feuerwerk ab, das allen anderen die Show stiehlt: ob er nun die Gelbe Gefahr heraufbeschwört, über die Todesstrafe sinniert und damit seine oberste Jüngerin erbleichen lässt oder den größten Spionageskandal aller Zeiten schönredet ("Ich hab' kein Problem, wenn mein Telefon abgehört wird, weil ich bin transparent" - man könnte auch durchsichtig sagen). Da stellt sich die Frage: Wer soll den wählen? Die Antwort ist klar: Freunde des gepflegten Brachialhumors.

Es wäre naheliegend, wenn sich die chancenlosen professionellen Kleinkünstler nun nach anderen Themen umsehen würden. Wie wär's zur Abwechslung mal mit etwas Internationalpolitik? Doch da spricht dagegen, dass sich humanitäre Tragödien wie zum Beispiel der Bürgerkrieg in Syrien nur äußerst bedingt für Schenkelklopferzoten eignen.

Doch halt: Dem vom derben heimischen Humor abgestumpften Publikum könnte leicht entgehen, was dem wahren Connaisseur nicht verborgen bleibt. Vor den Augen der Weltöffentlichkeit nutzen zwei Meister des subtilen Witzes ihre Bühne für eine Performance der besonderen Art. Eröffnet wurde die Darbietung von US-Präsident Barack Obama vor geraumer Zeit mit der Einführung einer ohne Not definierten "roten Linie", die zum Handeln zwinge. Nun, da diese Linie, von wem auch immer, offenbar überschritten wurde, darf Obamas Sidekick John Kerry in kurzen Abständen den Richtungswechseln seines Herrn nachhecheln.

Kündigt der US-Außenminister eine Reaktion in wenigen Tagen an, lässt Obama verlautbaren, noch keine Entscheidung getroffen zu haben. Sieht Kerry "klare und schlüssige Beweise" für die Schuld Assads, verlautbart der Stabschef des weiterhin zögerlichen POTUS Tage später, über keine unwiderlegbaren Beweise zu verfügen. Für verharmlosende Äußerungen über terroristische Gruppierungen innerhalb der syrischen Rebellen muss sich Kerry von Putin öffentlich einen Lügner nennen lassen. Stellt Kerry in Aussicht, bei Übergabe der Chemiewaffen von einem Angriff auf Syrien abzusehen, was blitzartig von der russischen Diplomatie aufgegriffen wird, so fühlt er sich beflissen, sein Angebot zurückzuziehen, da es nur "rhetorisch" gewesen sei. Doch siehe da: Der Präsident sieht in der russischen Initiative eine "positive Entwicklung".

Es ist schwer vorstellbar, dass in Washington die Kommunikation dermaßen gescheitert ist, dass der gefeierte Chefdiplomat John Kerry von seinem eigenen Chef so vorgeführt wird und sich die USA jegliche Glaubwürdigkeit vorsätzlich demontieren. Ein taktisches Ziel der Verrenkungen ist jedoch auch nicht auszumachen - wozu also diese improvisierte Tragikomödie? Hat John Kerry damals während des Deutschland-Aufenthalts in seiner Jugend gar Tucholsky gelesen? Das würde die offensichtliche Maxime seiner Diplomatie erklären: "Was darf die Satire? Alles!" (Michael Vosatka, derStandard.at, 10.9.2013)