Der Rücktritt | Der Papst | Das Konklave | Der Vatikan | Die Kirche

Ungläubig vernahmen viele Katholiken am Morgen des 11. Februar eine Nachricht, die seit Jahrhunderten nicht mehr aus dem Vatikan gedrungen war. Im Rahmen einer lateinischsprachigen Ansprache an die Kardinäle verlautbarte Papst Benedikt XVI. seinen Rückzug vom Pontifikat ab 28. Februar um 20 Uhr - offiziell aus gesundheitlichen Gründen. Doch seit der Rücktrittankündigung wird in Rom heftig über die Hintergründe des völlig überraschenden Papst-Beschlusses spekuliert. Der Rückzug des 85-jährigen Josef Ratzinger sei nicht nur altersbedingt, sondern den Machtintrigen in der Kurie zuzuschreiben, die für den Papst vor allem nach dem aufsehenerregenden Vatileaks-Skandal unerträglich geworden seien, berichten Vatikan-Insider.

Mit dem Ende des Pontifikats von Benedikt XVI. beginnt am Donnerstagabend die Zeit der Sedisvakanz. Das ist die Zeit, in der das Amt des Papstes nicht besetzt ist - normalerweise vom Tod des Kirchenoberhaupts bis zur Wahl seines Nachfolgers. Wörtlich übersetzt heißt das lateinische Wort "leerer Stuhl".

Sedisvakanz

Mit dem Ende der Amtszeit Benedikts versiegelt der Camerlengo das Arbeitszimmer und die Privatgemächer des Papstes. Er ist vorübergehend Hausherr der päpstlichen Paläste. Er bereitet auch das Konklave in der Sixtinischen Kapelle vor und überwacht den ordnungsgemäßen Ablauf der Papstwahl.

Während der Sedisvakanz leitet das Kardinalskollegium die Kirche. Seine Befugnisse sind aber auf Aufgaben und Entscheidungen beschränkt, die nicht aufgeschoben werden können. Von Päpsten erlassene Gesetze dürfen in dieser Zeit nicht korrigiert oder abgeändert werden.

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Wenn gegen 17 Uhr der Hubschrauber mit Papst Benedikt XVI. Richtung Castel Gandolfo südlich der italienischen Hauptstadt Rom abhebt, läuten die Kirchenglocken Roms. Mit Glockenläuten begann auch sein Pontifikat am 19. April 2005. Der 78-jährige Kardinalsdekan, der nach dem Tod von Papst Johannes Paul II. zum wichtigsten Mann im Vatikan aufstiegen war, war immer wieder als möglicher Nachfolger gehandelt worden.

Auch als Papst blieb der Kardinal aus Bayern stets mehr Theologe als Kirchenoberhaupt. Notwendige Strukturreformen ist er schuldig geblieben, auch inhaltlich blieb er seiner erzkonservativen Linie treu. Geprägt war sein Pontifikat von Skandalen wie der Rücknahme der Exkommunikation des umstrittenen Bischofs und Holocaust-Leugners Richard Williamson, der Regensburger Rede sowie dem Missbrauchsskandal in der katholischen Kirche. Vatikanologen bescheinigten dem Papst Führungsschwäche.

"Emeritierter Papst Benedikt"

Nun gibt er als erster Papst der Neuzeit sein Amt freiwillig auf. Nach seiner Landung um etwa 17.15 will Benedikt XVI. etwa zwei Monate in Castel Gandolfo bleiben, der Residenz der Päpste hoch über dem Albaner See. Dann kehrt er in ein umgebautes Kloster in den Vatikan zurück. Begleitet wird er von seinem Privatsekretär Georg Gänswein und vier Schwestern, die sich um den Haushalt kümmern.

Seinen Titel darf er allerdings behalten. Einem Vatikan-Sprecher zufolge wird der scheidende Papst entweder "emeritierter Papst Benedikt XVI." oder "emeritierter Römischer Pontifex Benedikt XVI." genannt werden. Sein Siegelring jedoch wird zerstört.

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Schwarzer oder weißer Rauch aus dem Schornstein ist alles, was aus dem Konklave an die Außenwelt dringen sollte. Vor Michelangelos "Jüngstem Gericht" in der Sixtinischen Kapelle treten 115 Kardinäle zur Wahl eines neuen Papstes zusammen.

Seit rund 450 Jahren ist der Sakralbau mit den weltberühmten Fresken Versammlungsort für Kardinäle aus der ganzen Welt, die streng abgeschieden den Papst wählt. Von den eigentlich 117 Stimmberechtigten mussten zwei Kardinäle absagen. Ein indonesischer Kardinal nimmt aus gesundheitlichen Gründen nicht teil. Der schottische Kardinal Keith O'Brien wird nach seinem Rücktritt vom Montag auch nicht zum Konklave anreisen.

Stunden, Tage oder Wochen

Etwas mehr als die Hälfte (60) der Kardinäle kommen aus Europa. Die zweitgrößte Gruppe (19) stellen die Kardinäle aus Süd- und Mittelamerika, aus Nordamerika kommen 14 Kardinäle. Afrika ist mit elf und Asien mit zehn Purpurträgern vertreten, Ozeanien mit einem.

Das Konklave kann Stunden, Tage oder Wochen dauern. Der neue Papst muss mit Zwei-Drittel-Mehrheit gewählt werden. Nach den Wahlgängen werden die für die Wahl erforderlichen Stimmzettel verbrannt. Ist keine erforderliche Mehrheit erreicht, wird Pech oder eine andere chemische Substanz beigemischt, so dass über ein Ofenrohr schwarzer Rauch aus der Sixtinischen Kapelle aufsteigt - das Zeichen, dass es noch keine Einigung gibt. Nach einer geglückten Papstwahl hingegen wird feuchtes Stroh zusammen mit den Wahlzetteln verbrannt und es wird weißer Rauch aufsteigen.

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Mit 0,44 Quadratkilometern ist der Vatikan der kleinste Staat der Welt. Die auf dem Vatikanischen Hügel gelegene Enklave ist ein souveräner Staat mit dem Papst als Monarchen. Die Lateranverträge mit Italien vom 11. Februar 1929 begründeten den Vatikan und sicherten seine Eigenständigkeit. Von den rund 800 Einwohnern des Ministaates haben nur knapp 600 die vatikanische Staatsbürgerschaft - die meisten davon sind kirchliche Würdenträger. Außer dem Staatsgelände am Petersdom gehören zum Vatikan exterritoriale Besitztümer in und außerhalb Roms - darunter die Sommerresidenz in Castel Gandolfo. Amtssprachen sind Latein und Italienisch.

In der internationalen Staatengemeinschaft stellt der Vatikan ein Unikat dar, ist er doch einerseits das Zentrum der katholischen Kirche, andererseits auch ein souveräner Kleinstaat. Der Heilige Stuhl und der Staat der Vatikanstadt sind zwei separate Völkerrechtssubjekte. Der jeweilige Papst fungiert nicht nur als Heiliger Vater der Katholiken weltweit, sondern auch als Oberhaupt des "Status Civitatis Vaticanæ" mit eigener Regierung, eigener Armee und einer eigenen Gerichtsbarkeit.

Der Regierungsapparat des Vatikan ist die Römische Kurie. An ihrer Spitze steht Kardinalstaatssekretär Tarcisio Bertone, in der Funktion vergleichbar mit einem Ministerpräsidenten. Er ist der engste Mitarbeiter des Papstes und leitet die Vatikan-Diplomatie. Ihm untersteht das Staatssekretariat, das "Ministerium".

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Lange Zeit galt Europa als wichtigster Kontinent in der katholischen Welt. Doch was die Anzahl der Gläubigen betrifft, hat Lateinamerika schon lange dem alten Erdteil den Rang abgelaufen. Mehr als 40 Prozent oder rund 438 Millionen aller Katholiken leben mittlerweile auf dem südamerikanischen Kontinent.

Seit den 70er-Jahren sinkt der Anteil der Katholiken in Europa kontinuierlich, während jener in Afrika ebenso kontinuierlich steigt: von 45 Millionen im Jahr 1970 auf 137 Millionen im Jahr 2012. Im Machtgefüge der katholischen Kirche zeigt sich diese Verschiebung noch nicht. Von den 115 an der Wahl teilnehmenden Kardinälen kommen nach wie vor mehr als die Hälfte aus Europa. (Stefan Binder, derStandard.at, 28.2.2013)