"Team der absoluten Kompetenz": So beschreibt ORF-General Alexander Wrabetz sein am Donnerstag bestelltes Direktorium – von links: Andreas Nadler (Finanzen), Kathrin Zechner (TV-Programm), Wrabetz, Monika Eigensperger (Radio) und Michael Götzhaber (Technik).

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Szenario für eine Abstimmung über höhere Rundfunkgebühren ohne die ÖVP im Herbst: Bei Stimmengleichstand im Stiftungsrat entscheidet das Votum des Vorsitzenden.

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Das ORF-Direktorium.

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Wien – In der Koalition herrscht schwere Krisenstimmung, und die Bestellung der ORF-Direktoren am Donnerstag senkt die Temperatur Richtung Gefrierpunkt. In der ÖVP ist man quer durch alle Ebenen stinksauer auf Kanzler Christian Kern. Der fahre auf Kampflinie und unternehme alles, um die ÖVP aussteigen zu lassen.

Es war die ÖVP, die noch in der Nacht vor der ORF-Direktorenwahl eine Maximalforderung durchsetzen wollte. Ihr Kandidat Richard Grasl unterlag Alexander Wrabetz bei der Wahl zum ORF-General ab 2017. Nun wollte der neue ÖVP-Generalsekretär Werner Amon die ORF-Wahl doch noch gewinnen.

Die ÖVP beharrte auf Roland Weissmann, die rechte Hand von Richard Grasl, als Finanzdirektor. Und auf einen Generalsekretär für den ORF, der Gerald Grünberger heißen sollte. Grünberger ist Geschäftsführer des Zeitungsverbands. Ein langjähriger Vertrauter Amons: Als dieser Obmann der Jungen ÖVP war, war Grünberger sein Bundessekretär.

"Letzte Zuckungen"

"Das waren die letzten Zuckungen des alten Systems", sagt Wilfried Embacher, Stiftungsrat der Grünen. Embacher glaubt nicht, dass eine weitere ORF-Führung so bestellt werde wie diese.

Embacher, Neos-Stiftungsrat Hans Peter Haselsteiner und Betriebsrat Gerhard Moser legten sich gegen die ÖVP-Wünsche quer. Und auch SPÖ-Stiftungsrat Erich Fenninger zeigte sich Donnerstagfrüh erfreut, dass statt eines "parteipolitischen Deals" ein Fachmann Finanzdirektor wird: Andreas Nadler, seit 2007 zweiter Mann in der Finanzdirektion und unbestrittener wie politikferner Experte.

Der neue Generalsekretär Werner Amon habe die Fäden gezogen – und einen Bauchfleck gelandet: So sieht man es in der SPÖ. Amon habe zu hoch gepokert und sich verspekuliert. Die schwarze Forderung nach einem Generalsekretär und den kaufmännischen Direktor sei zu hoch angesetzt gewesen, das wollte der Stiftungsrat nicht mittragen. Schließlich habe Wrabetz freie Hand bekommen und konnte sein Personalpaket durchsetzen – gegen den Willen der ÖVP.

Schwarze gespalten

Doch dieser Wille war längst nicht mehr so geschlossen wie bei der Generalswahl im August, als die bürgerliche Fraktion der laut Gesetz unabhängigen Stiftungsräte geschlossen für Richard Grasl stimmte. Zwei schwarze Stiftungsräte enthielten sich bei den ORF-Direktoren der Stimme. Zwei, die Vertreter von Vorarlberg und Tirol, stimmten schließlich für Wrabetz' Vorschlag. 23 von 35 Stiftungsräten bestellten Kathrin Zechner (wieder) als Programmdirektorin, FM4-Chefin Monika Eigensperger als Radiodirektorin, Michael Götzhaber wieder als Technikdirektor (ein Betriebsratswunsch) und eben Nadler als Finanzer.

Überraschend unter den 23 Befürwortern: FPÖ-Stiftungsrat Norbert Steger. Er hat im August noch für Grasl gestimmt und Wrabetz eine baldige Ablöse als Generaldirektor vorausgesagt, mit einem ORF-Gesetz, an dem er schon für die FPÖ schreibe.

"Absolute Kompetenz"

Ein – wohl vor allem nach dem langen Gezerre von Schwarz und Rot – sichtlich erleichterter Alexander Wrabetz lehnte sich nach der Sitzung weit hinaus: Er bezeichnete das Direktorium als "Team der absoluten Kompetenz".

Dass Länder-Stiftungsräte aus den politischen Fraktionen ausscheren, ist nicht weiter ungewöhnlich: Sie wollen jene ORF-Landesdirektoren durchbringen, die sich ihre Landeshauptleute wünschen. Oft recht unverblümt, wie in Salzburg, wo der Rote Roland Brunhofer dem Bürgerlichen Christopher Takacs weichen musste. Oder im Burgenland, wo der Rote Karlheinz Papst nach 18 Jahren im Job Werner Herics Platz machen musste – der jedenfalls mit dem Stiftungsrat des Burgenlands und der burgenländischen Politik vertraut ist.

Die neun Landesdirektoren wurden denn auch mit breiter Mehrheit von 30 Stimmen bestellt. Doch es geht in diesem Herbst gleich munter weiter auf das nächste Kampffeld zwischen SPÖ und ÖVP. Seit der Niederlage drängen Bürgerliche auf "Reformen" im ORF, bevor sie dem im Herbst anstehenden Gebührenantrag zustimmen.

Die mittelfristige Finanzvorschau rechnet mit einer Erhöhung von 10,5 Prozent ab Mai 2017. Sonst fehlten dem ORF laut Vorschau schon im kommenden Jahr rund 100 Millionen Euro.

Sparpaket vor Gebühren

Amon sagt im Gespräch mit dem STANDARD, er nehme die Personalentscheidung im ORF "zur Kenntnis", macht aber kein Hehl daraus, dass er damit keine Freude hat. Und er stemmt sich gleich gegen eine allfällige Erhöhung der ORF-Gebühren: Bevor man darüber überhaupt nur nachdenken könne, müssten erst glaubwürdige Reformvorschläge für ein Sparpaket auf den Tisch. "Wir werden ja sehen, wie reformfreudig die neue ORF-Führung ist", sagt er.

Wrabetz kündigte am Donnerstag weitere Sparmaßnahmen an. Er braucht freilich die ÖVP rein rechnerisch nicht unbedingt für eine Gebührenerhöhung: Betriebsräte im Stiftungsrat dürfen hier zwar nicht mitstimmen, aber wenn der Unabhängige Franz Küberl mit den Wrabetz-Wählern vom August votiert, steht es 15:15 im Stiftungsrat. Und bei Gleichstand dort entscheidet die Stimme des (roten) Vorsitzenden Dietmar Hoscher.

New Deal

Bereits am Dienstag hatte es im Ministerrat ein innerkoalitionäres Donnerwetter gegeben, als Vizekanzler und ÖVP-Chef Reinhold Mitterlehner den Kommentar des Kanzlers in der FAZ zur Sprache brachte. Dieser "Profilierungsversuch" des Kanzlers kam in der ÖVP gar nicht gut und wurde als Provokation aufgefasst. Wenn Kern einen Kurswechsel und eine Abkehr von den bisher gemeinsamen Positionen plane, hätte er das in der Regierung besprechen müssen. "Wir erfahren von diesem Kurswechsel aus der Zeitung", ärgert sich ein Schwarzer.

Eine Abkehr vom Sparkurs, wie von Kern zur Diskussion gestellt, komme für die ÖVP aber nicht infrage. Statt des angekündigten "New Deal" des Kanzlers gebe es nur Provokationen. Dass die SPÖ im ORF ihr Personalpaket gegen den erklärten Willen des ÖVP-Führungsteams durchgesetzt habe, sei ein Affront.

In der ÖVP geht man davon aus, dass Kern eine Absprungbasis für Neuwahlen suche, die Verschiebung der Bundespräsidentenwahl in den Dezember habe ihm aber einen Strich durch die Rechnung gemacht. Auffallend sei, dass der Kanzler bereits auf Wahlkampftour sei und die SPÖ für rasche Neuwahlen mobilisiere. Dass die Koalition noch lange halten werde, glaube kaum noch jemand, in der ÖVP wird jetzt über einen Termin im Frühjahr 2017 spekuliert.

Was die Bestellung der ORF-Direktoren betrifft, verweist man in der SPÖ genüsslich auf die Vorgänge rund um die Wahl von Margit Kraker zur neuen Rechnungshofpräsidentin. Auch das sei nicht mit der SPÖ akkordiert gewesen, ein klassischer "Leger". Die ÖVP habe hier keine vertrauensbildende Maßnahme gesetzt – und brauche sich jetzt nicht zu wundern. Den Vorwurf des Revanchismus weist man in der SPÖ aber weit von sich. (Harald Fidler, Michael Völker, 15.9.2016)