Jan Böhmermann sieht sich momentan mit rechtlichen Konsequenzen seines satirischen Beitrags konfrontiert.

Foto: ZDF/Ben Knabe

Die Türkei verlangt eine Strafverfolgung, zudem hat Recep Tayyip Erdoğan mittlerweile auch persönlich Strafantrag gestellt. Jan Böhmermann hatte als Replik auf die Aufregung um einen satirischen "Extra 3"-Beitrag über den türkischen Präsidenten selbigen in einem Gedicht angegriffen. Aber anders als bei der Reaktion auf den "Extra 3" -Beitrag, bei dem die deutsche Bundesregierung die türkische Beschwerde zurückwies, stellt sich das offizielle Deutschland nicht hinter Böhmermann und seine Reime. Mehr noch, die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel schaltete sich früh in die Diskussion ein, bezeichnete den Beitrag als "bewusst verletzend".

Metaebene über Metaebene – Geht es um Satirefreiheit?

In der deutschsprachigen Medienlandschaft ist man sich uneins, was von dem Gedicht zu halten ist. "Das Problem ist, dass dieses Gedicht rassistisch ist", heißt es in einem Kommentar auf "jetzt.de" Es wirke so, als hätte die Redaktion "eine Kiste voller Klischees über Kanaken aufgestellt" und dann in Reimform gegossen. Dass die Schmähkritik eben nicht Erdoğan treffe, sondern eine Aneinanderreihung von Beschimpfungen sei, mit denen Türken seit Jahrzehnten beleidigt werden würden, ist der Hauptkritikpunkt.

Andere wiederum verweisen auf den Kontext: Böhmermann kündigte vor dem Beitrag an, nun ein Beispiel für strafrechtlich relevante Satire zum Besten zu geben. Mit dem Verweis, dass er selbiges natürlich nie tun würde. Böhmermann, so das Fazit des "Spiegels", "erklärte Satirefreiheit, indem er mit ihr spielte."

Im STANDARD-TV-Tagebuch wird argumentiert, dass die Frage, was Satire darf oder nicht, von einem ganz anderen Problem ablenke: "Ein Staatsoberhaupt, das es mit Meinungsfreiheit nicht so hat, verlangt von der Regierung eines anderen Landes, gegen diese Form der Kritik vorzugehen. Und wir diskutieren schon wieder, was Satire darf, statt dem einfach nur energisch entgegenzutreten."

Nun geht es aber nicht mehr allein darum, ob es sich um eine gelungene Satire handelt oder nicht. Die EU setzt bei der Flüchtlingspolitik auf die Türkei als starken Partner. Durch den Antrag auf Strafverfolgung sind Böhmermanns Zeilen zu einem Politikum geworden.

Hätten die politischen Konsequenzen bedacht werden sollen?

Ungeachtet, ob der Antrag auf Strafverfolgung gebilligt wird oder nicht, ist der Fall Böhmermann ein interessantes Beispiel dafür, wie sich politischer Diskurs und Unterhaltungsindustrie kreuzen. Hätte Jan Böhmermann an die politischen Auswirkungen denken müssen? Geht sein Schmähgedicht trotz des Kontextes zu weit? Oder hat er genau das erreicht, was er wollte: Die Grenzen von Satire aufzuzeigen und eben die politische Dimension dessen, was geduldet wird und was nicht, sichtbar zu machen? (jmy, 11.4.2016)