Wien – Irmgard Griss wird bei der Bundespräsidentenwahl im Frühjahr kandidieren. Das gab die ehemalige Präsidentin des Obersten Gerichtshofs am Donnerstag auf Facebook in einem Video bekannt.

Am Freitagvormittag verkündete sie bei einer Pressekonferenz in Wien offiziell ihre Kandidatur und trat dabei für ein "Fairness- und Transparenzabkommen" im Wahlkampf ein. Dieses sollen alle Kandidaten einhalten. Darin steht unter anderem, dass es keine Postwurfsendungen, keine Plakate "außerhalb der kommerziellen Normformate", keine ganzseitigen Inserate, keine Kinospots und keine Wahlkampfgeschenke geben soll.

Eine Million Euro als Obergrenze

Aus dieser Einschränkung der Werbeformen dürfte die Forderung nach einer "Begrenzung der (Brutto-)Wahlkampfkosten auf eine Million Euro" resultieren, für die Griss ebenfalls eintritt.

Eine erste Großspenderin hat Griss schon gefunden: Die Ehefrau von Andritz-Chef Wolfgang Leitner, Cattina Leitner, spendete 100.000 Euro, gab Griss auf entsprechende Journalistenfragen am Freitag bekannt. Als Minimum will sie 500.000 Euro auftreiben – aber nicht von Parteien.

Kostenobergrenze "natürlich in meinem Interesse"

Bisher stehe man bei etwas mehr als 100.000 Euro, wobei der Großteil von Leitner kam. Sie habe auch weitere Zusagen. Jeder Beitrag sei aber willkommen, so Griss. Die von ihr vorgeschlagene Eine-Million-Euro-Obergrenze "ist natürlich in meinem Interesse, das geb' ich offen zu", meinte Griss mit Blick auf die Geldtöpfe der etablierten Parteien. "Von einer Partei wurde mir weder Geld zugesagt, noch habe ich um Geld einer Partei geworben."

Sie habe beschlossen, bei der Wahl anzutreten, "weil ich überzeugt bin, dass ich etwas bewegen kann". Sie sei unabhängig und niemandem verpflichtet. Die Wahl solle von "Fairness und Transparenz" geprägt sein, daher schlage sie ein entsprechendes Abkommen vor, das alle Kandidaten unterzeichnen sollen.

Gegen Negative Campaigning

Wahlentscheidend müsse die Persönlichkeit der Kandidaten sein, der Wahlkampf dürfe "keine Materialschlacht" werden, forderte Griss. Das Abkommen sieht daher vor, dass es etwa keine Inserate, keine Postwurfsendungen und Wahlgeschenke geben soll. Weiters müsse der Umgang im Wahlkampf "ein fairer und positiver", "kein untergriffiger" sein, "kein Negative Campaigning", so Griss. "Die Privatsphäre der Kandidaten muss respektiert werden."

Kandidaten sollen alle Wahlkampfspenden offenlegen

Ein Bundespräsident könne nur dann glaubwürdig sein, wenn er oder sie ein Vorbild an Transparenz ist, so Griss. Sie fordert daher völlige Transparenz bei der Kampagnenfinanzierung und die Offenlegung aller Wahlkampfspenden, "egal in welcher Höhe". Das Abkommen sollten ihrer Meinung nach alle Kandidaten unterschreiben. Zudem wünscht sie sich "spürbare Sanktionen" dafür, etwa in Form von Geldstrafen. Mögliche Verstöße soll ein Schiedsgericht prüfen, in das jeder Kandidat ein Mitglied entsendet.

Auf ihrer Facebook-Seite gab Griss zuvor bereits ein Motto aus: Dort war der Slogan "Ehrlich zu Österreich" gemeinsam mit einer rot-weiß-roten Flagge zu sehen.

Youtube-Video von Irmgard Griss zu ihrer Kandidatur für das höchste Amt im Staat.
Irmgard Griss

In dem Video sagt Griss, dass sie sich dessen bewusst sei, als Außenseiterin zu kandidieren. Sie sehe darin aber eine Chance dafür, eine unabhängige Kandidatin "für alle zu sein, die eine neue Politik wollen. Eine Politik, die von Ehrlichkeit, Mut und Verantwortung bestimmt ist."

Sie wolle eine Gesellschaft des gerechten Ausgleichs, die Schwache stütze und Starke nicht über Gebühr belaste. "Dafür stehe ich, und deshalb bin ich bereit zu kandidieren."

"Wahrheit geschuldet"

Als Bundespräsidentin wolle sie für eine Politik der klaren Worte eintreten. "Denn die Wahrheit ist dem Menschen nicht nur zumutbar, sie ist ihm auch geschuldet." Nur eine ehrliche und aufrichtige Politik verzichte darauf zu manipulieren und zu dämonisieren. Ihr Ziel sei, Gräben in der Gesellschaft zu überwinden und bewusst zu machen, dass jeder in seinem Bereich einen Beitrag leisten kann.

Griss betont in dem Video vor allem ihre Unabhängigkeit. "Eine Bundespräsidentin, die aus der Zivilgesellschaft kommt und nie einer Partei angehört hat, ist niemandem anderen verpflichtet als dem Volk – ihren Wählerinnen und Wählern – und dem eigenen Gewissen." Sie könne die Dinge beim Namen nennen, Probleme ehrlich ansprechen, sachliche Diskussionen fordern und zu Reformen ermutigen.

Leiterin der Hypo-Kommission

Der Öffentlichkeit wurde die frühere Präsidentin des Obersten Gerichtshofs zunächst als Leiterin der Hypo-Kommission bekannt, wofür sie umfangreiches Lob erhielt – bis zum Donnerstag. Ausgerechnet an dem Tag vor ihrer Kandidatur-Pressekonferenz stellte sich heraus, dass die von ihr geleitete Untersuchungskommission die Gesprächsprotokolle zur Aufarbeitung des Hypo-Skandals vernichtet hat. Dazu sei man aufgrund einer Vereinbarung mit den Institutionen verpflichtet gewesen, hieß es. Die Abgeordneten im U-Ausschuss zeigten sich darüber empört.

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Irmgard Griss bei ihrer Antritts-Pressekonferenz.
Foto: reuters/Foeger

Neos geben keine Wahlempfehlung für Griss ab

Finanzielle Unterstützung einer Partei hat Griss im Vorfeld ausgeschlossen, dennoch war sie sowohl bei den Neos als auch bei der FPÖ zu einem Hearing geladen. Beide Parteien haben erwogen, sie als unabhängige Kandidatin zu unterstützen. Die Blauen wollen sich im Jänner festlegen, die Neos haben sich am Donnerstagnachmittag im Parteivorstand gegen eine Wahlempfehlung ausgesprochen. Sie begrüßen die Kandidatur der Richterin trotzdem, genauso wie auch weitere parteiunabhängige Kandidaten.

Dass sie aus der Zivilgesellschaft kommt, gefällt den Neos an Griss. Weniger Gefallen finden sie an ihren Aussagen über die Sinnhaftigkeit des Hypo-Untersuchungsausschusses. "Das hat mir als Parlamentarier im Herzen wehgetan", sagt Neos-Justizsprecher Nikolaus Scherak im STANDARD-Gespräch. Dass die Griss-Kommission die Gesprächsprotokolle vernichtet hat und sie nicht wie verlangt dem U-Ausschuss zur Verfügung stellt, hat die Entscheidungsfindung zusätzlich erschwert.

Nach dem Hearing Mitte November wollten die Neos zunächst abwarten, ob sich andere Kandidaten bereits für ein Antreten entschieden haben. Das ist nicht geschehen, sie mussten eine Entscheidung fällen, ohne die Konkurrenz zu kennen. (koli, mte, APA, 18.12.2015)