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Einen klassischen Haircut wird's wohl nicht geben, über andere Umschuldungsmöglichkeiten wird aber geredet.

Foto: reuters/CHRISTIAN HARTMANN

Es waren wohl die Auswirkungen der Bankenschließungen in Griechenland, die die Regierung in Athen zum Einlenken bewogen haben. Auf den ersten Blick ist es nicht anders zu erklären, warum die Syriza-Regierung eine Liste mit Reformvorschlägen nach Brüssel geschickt hat, die fast identisch ist mit jenem Sparpaket, das eine deutliche Mehrheit in einem Referendum abgelehnt hat. Zur Erinnerung: Das Referendum hat die Regierung selbst angesetzt, nachdem sie die Forderungen der Gläubiger als Diktat bezeichnet und den Verhandlungstisch verlassen hatte.

Die Bilder eines weinenden Pensionisten, der vor einer Bank zusammengebrochen ist, und die Menschenschlangen vor den Bankomaten haben ihre Wirkung nicht verfehlt. Die Auswirkungen auf das Wirtschaftsleben waren massiv, angeblich ist nur noch Bargeld für wenige Tage vorhanden.

Massive Einschnitte geplant

Es sind nun weitere massive Einschnitte und nichts anderes als der Umbau der griechischen Gesellschaft, worauf sich Premier Alexis Tsipras eingelassen hat – oder einlassen musste. Es sind Schritte wie die Anhebung des Pensionsantrittsalters auf 67 Jahre dabei, die sich etwa die österreichische Regierung bisher nicht zu setzen getraut hat.

Einige Maßnahmen, wie die Abschaffung von Steuerprivilegien für Reedereien oder Steuererhöhungen für Yachten, hätten auch von dieser Regierung schon längst umgesetzt werden können. Auch die Reduktion der im internationalen Vergleich hohen Militärausgaben ist höchst an der Zeit – auch wenn just die Nato dagegen protestiert.

Andere Maßnahmen wie die Kürzung der Sonderzahlungen für Pensionisten mit geringen Bezügen werden die soziale Lage vieler in diesem Land noch mehr verschlechtern. Aber da gerade Pensionisten die Auswirkung der Bankenschließungen am deutlichsten zu spüren bekommen haben, weil viele von ihnen keine Bankomatkarte haben, werden die meisten wohl froh sein, wenn sie überhaupt wieder an Geld kommen.

Einlenken oder Einknicken

Für die Institutionen – den Internationalen Währungsfonds, die Europäische Zentralbank und die EU-Kommission – sowie die Vertreter der Eurogruppe ist die fristgerechte Einreichung der Vorschläge (auch das ist ein Novum) ein Einlenken, für Teile seiner Partei sicher ein Einknicken Tsipras'. Einige werden es auch als Umfaller interpretieren. Energieminister Panagiotis Lafazanis verweigerte die Unterschrift, der kleinere Koalitionspartner ebenfalls. Tsipras hat sich deshalb schon vor Wochen Stimmen aus den Reihen der Opposition gesichert, um einen Beschluss im Parlament zu ermöglichen. Diese Unterstützung wird er brauchen.

Damit ist der Ball wieder auf dem Feld der Gläubiger. Da im Vorfeld hinter vorgehaltener Hand zu hören war, die Verhandlungen würden jedenfalls wiederaufgenommen, wenn die Griechen auch nur annähernd etwas abliefern, was Reformen verspricht, ist mit dem Athener Brief diese Vorleistung erbracht. Es ist eine weitere: Denn der von Tsipras erzwungene Rückzug von Finanzminister Yanis Varoufakis war ein Schritt, der die Verhandlungsatmosphäre verbessert hat. Jemand, der seine Gesprächspartner öffentlich als "Terroristen" bezeichnet, hat sich selbst desavouiert.

Es geht um Interessen der Euroländer

Die Institutionen prüfen heute und wohl auch morgen, dann sind am Samstag die Finanzminister der Eurogruppe am Zug, bevor am Sonntag die Staats- und Regierungschefs zusammenkommen. Außerdem will das Athener Parlament noch heute eine Willensbekundung abgeben, um diese Reformvorschläge zu unterstützen. Die Europartner werden grünes Licht geben – schon aus eigenem Interesse, denn es steht bei einem Grexit viel für ihre Staaten, die europäischen Steuerzahler und nicht zuletzt die Banken in den Euroländern auf dem Spiel. Es geht auch um die Glaubwürdigkeit der EU insgesamt.

Auch wenn es auf den ersten Blick nicht so scheint, so hat das Referendum doch etwas Positives für die Griechen bewirkt. Es wird jetzt wieder über die Schuldenlast diskutiert, von einer Umschuldung wird gesprochen. Interessant ist die Wortwahl der deutschen Kanzlerin Angela Merkel: Sie hat nur einen "klassischen Haircut" ausgeschlossen – also einen Schuldenschnitt. Andere Möglichkeiten werden durchgerechnet.

Griechisches Drama mit Happy End?

Außerdem ist seit dem Referendum davon die Rede, dass den Griechen langfristig geholfen werden soll. Es sollen EU-Fonds angezapft werden, weshalb am Sonntag in einer zweiten Runde auch alle 28 Staats- und Regierungschefs der EU nach Brüssel reisen werden und nicht nur jene der 19 Euroländer. Gelingen kurzfristige Hilfe, eine Umschuldung und ein langfristiges Aufbauprogramm, dann hätte das griechische Drama mit so vielen Akten noch ein gutes Ende gefunden. (Alexandra Föderl-Schmid, 10.7.2015)