Außen- und Integrationsminister Sebastian Kurz (ÖVP) will Familienbeihilfezahlungen an Arbeitskräfte aus Südosteuropa kürzen, wenn deren Kinder nicht in Österreich leben. Zur Frage, ob dies europarechtlich möglich sei, äußerte sich der Europarechtsexperte Walter Obwexer am Montag im Ö1-"Morgenjournal".

Rund 150 Millionen Euro an Familienbeihilfszahlungen hat Österreich laut Kurz im Vorjahr für Kinder im Ausland bezahlt. Das einfach per Parlamentsbeschluss in Österreich zu ändern, wie es die Freiheitlichen wollen, geht nicht, sagte Obwexer. Denn die Freizügigkeit der Arbeitnehmer innerhalb der EU steht in den EU-Verträgen, so der Europarechtler, und sie soll demnach gefördert werden.

Verringerte Familienbeihilfe-Zahlungen an Arbeitnehmer, etwa aus Ungarn, der Slowakei oder Rumänien, deren Kinder im Heimatland leben, könnte die EU aber sehr wohl beschließen. In diese Richtung gehen die Forderungen von Großbritannien, die nun von Kurz unterstützt werden. Obwexer sieht allerdings wenig Chancen für eine nötige Mehrheit im EU-Rat und EU-Parlament.

Sozialminister Rudolf Hundstorfer meinte im Ö1-"Mittagsjournal", in dieser Frage gebe es derzeit keinen gemeinsamen Standpunkt der Regierung. Würde man Änderungen vornehmen wollen, müsste das auf europäischer Ebene beschlossen werden. Diese Debatte solle man in aller Ruhe führen. Allerdings zeigt der Minister schon jetzt Skepsis. Denn Hundstorfer hielte es "nicht für fair", dass durch eine Staffelung der Leistungen, die den jeweiligen Lebenserhaltungskosten angepasst werden könnten, Bürgern nur wegen ihrer Herkunft unterschiedliche Beträge überwiesen werden. Immerhin würden die Arbeitnehmer ja auch Beiträge einzahlen.

Kurz: "Diskussion muss möglich sein"

Außenminister Kurz lässt in der von ihm angezettelten Debatte nicht locker: Von Kritik von linker Seite zeigte er sich am Montag am Rande einer Pressekonferenz "sehr unbeeindruckt", denn "so eine Diskussion muss möglich sein". Einen Zusammenhang zwischen seinem Vorstoß und den jüngsten Wahlverlusten wies Kurz zurück.

Dem Minister wurde am Wochenende seitens der Grünen vorgeworfen, die "Hasspolitik der FPÖ" zu übernehmen. Kurz beeindruckt die Kritik nicht: Es müsse doch wohl möglich sein, eine "sachliche Diskussion" über inhaltliche Fragestellungen zu führen, entgegnete er. Die FPÖ hetze gegen "Sozialmissbrauch", das sei aber eine "Themenverfehlung".

Der britische Premierminister David Cameron habe eine Diskussion über eine EU-Reform gestartet und wiewohl er nicht alle Standpunkte teile, wolle er, dass Österreich "selbstbewusst" in die Debatte einsteige, betonte Kurz. Die Niederlassungsfreiheit zu schützen bedeute auch, bei den Sozialleistungen "nachzuschärfen", denn da gebe es eine "starke Verzerrung". So bekomme ein Rumäne, der in Österreich arbeitet, für zwei Kinder in Rumänien rund 300 Euro monatlich, was fast dem rumänischen Durchschnittseinkommen entspreche, bekräftigte er.

Zum Argument, dass jedes Kind gleich viel wert sein sollte, konterte Kurz, dass Österreich auch keine Familienbeihilfe in Drittstaaten wie Serbien oder Bosnien auszahle. Dass eine Anpassung der Familienbeihilfe an die Lebenshaltungskosten bei gewissen Ländern wie Schweden umgekehrt automatisch höhere Zahlungen zur Folge hat, sieht der Außenminister übrigens offensichtlich nicht so: Darüber werde man diskutieren müssen, meinte er auf eine entsprechende Frage lediglich. Österreich überweise sehr wenig Familienbeihilfe nach Schweden oder Luxemburg, dafür viel nach Deutschland, in die Slowakei, nach Ungarn, Rumänien und Bulgarien.

Arbeitsgruppe auf EU-Ebene

Das Familienministerium wies am Montag darauf hin, dass man sich mit dem Thema auf europäischer Ebene bereits beschäftige: Die EU-Kommission habe eine Arbeitsgruppe eingerichtet, an der auch Beamte des Familienressorts teilnehmen werden, erste Sitzungen sind im Herbst geplant. Dort soll unter anderem auch besprochen werden, wie lange ein EU-Bürger in einem anderen Mitgliedsstaat erwerbstätig sein muss, um die dortigen Familienleistungen beziehen zu können, derzeit sei das nämlich nicht geregelt. In Österreich hat man Anspruch auf Familienbeihilfe, wenn man zumindest die Hälfte des Jahres in Österreich arbeitet.

Die Freiheitlichen taten jedenfalls am Montag einmal mehr ihre Unterstützung für Kurz' Standpunkt kund. "So wie sich das Gesetz jetzt darstellt, ist es keine Familienbeihilfe, sondern Entwicklungshilfe für strukturschwache EU/EWR-Länder. Zudem stellt es eine Diskriminierung der Inländer dar", meinte FPÖ-Generalsekretär Herbert Kickl in einer Aussendung. Zugleich ruderte er inhaltlich zurück: In mehreren Anträgen habe man gefordert, die Familienbeihilfe auf das Niveau der tatsächlichen Lebenshaltungskosten im jeweiligen Land anzupassen - eine völlige Streichung sei "im Gegensatz zur Interpretation in manchen Medien" nicht verlangt worden. Noch am Sonntag war in einer OTS der FPÖ freilich von einem "sofortigen Stopp der Transferleistungen ins Ausland" die Rede. (APA, red, 15.6.2014)