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Russlands Außenminister Sergej Lawrow schien in Genf wenig begeistert von dem Weg, den US-Kollege John Kerry ihm wies.

Foto: Reuters / Evan Vucci

Die frostige Aussprache fand im Genfer Hotel President Wilson statt. US-Außenminister John Kerry und sein russischer Kollege Sergej Lawrow trafen einander am Montag in dem Nobelhotel direkt am See. Ganz oben auf der Agenda: der blutige Konflikt im Osten der Ukraine. Mehr als 6000 Menschen starben laut Uno-Ermittlern bereits in dem fast ein Jahr dauernden Krieg zwischen prorussischen Separatisten und ukrainischer Regierung. Knapp 15.000 Menschen erlitten teilweise schlimmste Verletzungen.

Kerry machte Lawrow klar: Die Vereinbarungen von Minsk über eine Waffenruhe für die Ostukraine müssten vollständig umgesetzt werden. Das Abkommen zwischen den Separatisten und der Kiewer Regierung wurde beim Minsker Vierergipfel im Februar erzielt. Es sieht neben einer Waffenruhe den Abzug der schweren Waffen, die Einrichtung einer Pufferzone und einen Gefangenenaustausch vor. Nach dem Treffen mit Lawrow erklärte Kerry: "Es gibt noch keine vollständige Waffenruhe." Die Gewalt in der Ostukraine sei noch nicht beendet; OSZE-Beobachter hätten sich über Behinderungen bei ihrer Arbeit beschwert.

Weitere Konsequenzen "unvermeidlich"

Kerry beschuldigte Moskau und die Separatisten, für die schleppende Umsetzung verantwortlich zu sein: Falls sie das Abkommen weiter torpedierten, würde das "unvermeidlich zu weiteren Konsequenzen" für Russland führen. Im Klartext: Die USA drohen Russland mit neuen Wirtschaftssanktionen. Die bereits vom Westen verhängten Strafmaßnahmen haben die russische Wirtschaftskrise verschärft. "Wir machen das nicht, um die russische Bevölkerung zu verletzen", sagte Kerry. Die Sanktionen sollten Präsident Wladimir Putin vielmehr zur Abkehr von seinem aggressiven Kurs gegenüber der Ukraine zwingen.

Nach ihrem bilateralen Treffen nahmen Kerry und Lawrow an der Sitzung des Uno-Menschenrechtsrates teil. Im obersten UN-Gremium gegen Unterdrückung und Gewalt verlangte auch Lawrow die volle Implementierung von Minsk II. Die ausgehandelte Waffenruhe habe sich schon "verfestigt", versicherte Lawrow. Ebenso verurteilte er den Mord an dem russischen Oppositionspolitiker Boris Nemzow als "abscheuliches Verbrechen". Gegenüber den USA hielt sich Lawrow auffallend zurück.

Ruf nach Strafverfahren

Kerry verlangte seinerseits eine strafrechtliche Verfolgung aller Kriegsverbrechen in der Ostukraine. Unschuldige Menschen seien verfolgt, gefoltert, vergewaltigt und getötet worden. Der US-Chefdiplomat stellte sich damit hinter die Forderung des Uno-Hochkommissars für Menschenrechte, Zaid Raad Al-Hussein. Dieser verlangt in seinem neuesten Report zur Menschenrechtslage in der Ukraine, die Verbrechen dürften nicht ungesühnt bleiben.

Al-Hussein und die Uno-Ermittler sind sich sicher: Die prorussischen Rebellen verübten die meisten der "abscheulichen" Verbrechen. Aus Diplomatenkreisen hieß es: "Falls es jemals zu ordentlichen Verfahren wegen der Taten kommt, rücken zwangsläufig auch die Russen in den Blickpunkt. Ohne Moskaus Hilfe hätten die Separatisten ihren Krieg nicht führen können." (Jan Dirk Herbermann aus Genf, DER STANDARD, 3.3.2015)