Bild nicht mehr verfügbar.

Die Angst vor Masernimpfungen lässt eine fast ausgerottete Krankheit wiederaufleben.

Foto: Bernd von Jutrczenka/dpa

Berlin/Wien – Nach einem Ausbruch der Masern in Berlin und dem Tod eines Kleinkindes durch die ansteckende Infektionskrankheit wird in Deutschland eine Debatte um verpflichtende Impfungen geführt.

Am Montag gab Berlins Gesundheitssenator Mario Czaja (CDU) den Tod eines eineinhalbjährigen Kindes bekannt. Der Bub war bereits vergangenen Mittwoch an den Folgen der Krankheit in einem Spital verstorben. Wie er sich angesteckt hat, ist nicht bekannt.

574 Masernfälle wurden seit Beginn des Ausbruchs im Oktober in der deutschen Hauptstadt gemeldet, das ist laut dem Landesamt für Gesundheit und Soziales die schwerste Welle der Krankheit seit Einführung des Infektionsschutzgesetzes 2001. Laut "WAZ online" waren 90 Prozent der Erkrankten nicht geimpft.

Ausrottung misslungen

Bis 2015 wollte Deutschland wie auch die meisten anderen europäischen Staaten in Absprache mit der Weltgesundheitsorganisation (WHO) die Masern eigentlich ausgerottet haben. Das sollte allein durch Aufklärung und Beratung geschehen. Angesichts der aktuellen Krankheitsfälle stellen Politiker der schwarz-roten Koalition nun aber die Frage nach verpflichtenden Impfungen.

Bereits vor dem Todesfall gab die Bundesregierung Pläne bekannt, wonach Eltern vor der Anmeldung ihrer Kinder für eine Kindertagesstätte zu einer ärztlichen Impfberatung gesetzlich verpflichtet sind.

Zwänge und Ablehnungen

Wenn auch dann die Impfbereitschaft nicht steige, sagte SPD-Gesundheitspolitiker Karl Lauterbach zur "Welt am Sonntag", "muss eine Impfpflicht für Kleinkinder der nächste Schritt sein".

Sein Kollege aus der CDU, Jens Spahn, sagte: "Wenn wir es nicht schaffen, mit verstärkter Aufklärung und Beratung die Impfraten bald zu steigern, sollten wir über eine Impfpflicht in Kindergärten und Schulen nachdenken."

Die Opposition kann sich mit verpflichtenden Impfungen nicht anfreunden. "Zwänge verschärfen oftmals eine Ablehnung", sagte Anton Hofreiter, Kofraktionschef der Grünen im Bundestag zu "Spiegel Online". Für Harald Weinberg aus der Linksfraktion steht ein Impfzwang dem Selbstbestimmungsrecht der Eltern im Weg, wie er der "Saarbrücker Zeitung" sagte.

In Österreich angekommen

In Österreich wurde eine Häufung wie in Berlin noch nicht registriert. Man wisse aber, "dass dieses Virus bereits auch in Österreich angekommen ist", sagte Masernexpertin Heidemarie Holzmann vom Department für Virologie der Med-Uni Wien vergangene Woche dem STANDARD. Demnach gab es allein im Jänner und Februar in Wien, Niederösterreich und Oberösterreich 47 Fälle, während 2012 im ganzen Jahr nur 35 Masernfälle registriert wurden.

Eine Impfpflicht gibt es auch in Österreich nicht. Laut Pamela Rendi-Wagner, Leiterin der Sektion für öffentliche Gesundheit im Gesundheitsministerium, widerspräche diese verfassungsmäßigen Grundrechten. Diskutieren könne man aber über ein verpflichtendes Impfberatungsgespräch, zum Beispiel vor Eintritt (des Kindes, Anm.) in Gemeinschaftseinrichtungen, sagte sie in der "ZiB2"

Die Impfung ist kostenlos und wird im Rahmen der MMR-Impfung (Masern, Mumps, Röteln) abgegeben. Laut Gesundheitsministerium beträgt die Schutzrate vor der Krankheit nach der zweiten Dosis 99 Prozent.

Rund drei Millionen Dosen wurden seit 1998 verabreicht, Fälle von bleibenden Schäden durch die Impfung gibt es laut Ministerium in Österreich nicht. Unter nichtgeimpften Menschen verläuft in Industriestaaten jeder tausendste bis zweitausendste Krankheitsfall tödlich.

Vermeintliche Impfschäden sind der Hauptgrund, warum heute wieder vermehrt Eltern auf Impfungen verzichten. Laut einer vor allem in den USA starken Bewegung sollen Impfungen zu Autismus führen. Dieser Glaube geht auf eine 1998 im Medizinjournal "Lancet" veröffentlichte Studie zurück, die einen solchen Zusammenhang herstellte. 2010 zog die Zeitschrift die Analyse zurück, weil bekannt wurde, dass der Arzt Forschungsergebnisse gefälscht hatte. (Michael Matzenberger, derStandard.at, 23.2.2015)