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Masernviren sind lange vor Manifestation hochansteckend.

Foto: Picturedesk / Science Photo Library

Menschen sind Transferzonen und als solche kein abgeschlossenes System, wie die Selbstwahrnehmung suggerieren könnte. Auch Viren und Bakterien führen - darwinistisch betrachtet - einen Überlebenskampf und brauchen den menschlichen Organismus dafür. Je fitter die Mikroorganismen, umso besser verbreiten sie sich. Zu den ansteckendsten Viren für den Menschen gehören die Masern.

Mitunter lebensgefährlich

Aktuell gibt es 400 Krankheitsfälle in Berlin. "Wir kennen den Genotyp und wissen, dass dieses Virus bereits auch in Österreich angekommen ist," sagt Masernexpertin Heidemarie Holzmann vom Department für Virologie der Med-Uni Wien. Allein im Jänner und Februar wurden in Wien, Niederösterreich und Oberösterreich 47 Fälle registriert. Holzmann ist besorgt, zum einen, weil es 2012 im ganzen Jahr nur 35 Masernfälle gegeben hat, zum anderen, weil Masern mitunter lebensgefährlich sein können.

Die Viren werden beim Reden und Niesen übertragen, bleiben auch außerhalb des Körpers zwei Stunden ansteckend und sind vor Ausbruch des Hautausschlags, also der eindeutigen Diagnose, am ansteckendsten. Im schlimmsten Fall verläuft die Infektion tödlich oder kann zu neurologischen Schäden führen. Das ist auch der Grund für die Maßnahmen der WHO, die als Ziel für Regierungen, eine Erkrankung pro einer Million Einwohner pro Jahr vorgibt. "Es hätte 2015 erreicht werden sollen, wir werden dieses WHO-Ziel aber sicherlich verfehlen", sagt Holzmann.

"Es ist paradox: Die Menschen unterschätzen Infektionskrankheiten, weil sie sie in ihrem Umfeld nicht mehr erleben, das wiederum ist aber ein Erfolg der Impfkampagnen der letzten Jahrzehnte", erklärt Christiane Druml, Vorsitzende der Bioethikkommission. Darauf, dass man Kinder an durch eine Impfung vermeidbaren Krankheiten sterben sehen muss, will sie nicht abwarten.

Folgen von Impfskepsis

Deshalb diskutiert die Bioethikkommission Impfungen auch im Hinblick auf individuelle Selbstbestimmung und soziale Verantwortung. Schließlich beeinflusst die individuelle Entscheidung, ein Kind nicht impfen zu lassen, das gesundheitliche Wohl vieler anderer. Einer Umfrage zufolge stehen nur 39 Prozent der Österreicher Impfungen vorbehaltlos positiv gegenüber, 57 sind skeptisch, vier Prozent impfmüde. Eine große Gefahrenquelle, sagt Druml, sei das Internet, weil manche Impfgegner Websites mit medizinisch vollkommen unhaltbaren Argumenten betreiben und man das nicht verhindern könne.

Für Ursula Wiedermann-Schmidt Leiterin des Instituts für Spezifische Prophylaxe und Tropenmedizin der Med-Uni Wien ist erstaunlich, dass Impfkritiker vor allem in gebildeten Gesellschaftskreisen zu finden sind, "mindestens mit Matura", sagt sie. Jedenfalls haben Skepsis und die Angst vor Nebenwirkungen dazu geführt, dass als fast "ausgerottet" geltende Krankheiten wieder aufflammen. Vor allem Masern, aber auch die Fallzahlen von Keuchhusten und Mumps sind seit 2010 in Österreich signifikant gestiegen.

Im Bundesministerium ist Pamela Rendi-Wagner für die öffentliche Gesundheit verantwortlich. Sie setzt stark auf Aufklärung. "Wir haben gesehen, wie die Grippe-Impfung 2009, die vor einer gefürchteten Pandemie schützen sollte, die dann aber gar nicht kam, die generelle Impfmoral sinken lässt", sagt sie - und fordert vor allem die Ärzte auf, bezüglich der unterschiedlichen Impfungen ihre Patienten differenziert zu informieren.

An einem Strang ziehen

Rendi-Wagner setzt auf Kampagnen wie "Keinemasern.at", beobachtet aber auch die Entwicklungen in Deutschland. Aufgrund der steigenden Zahlen von Masern, Mumps und Keuchhusten wird dort überlegt, Eltern zu einem verpflichtenden Beratungsgespräch einzuladen, sobald sie ihre Kinder zur Betreuung in eine öffentliche Gemeinschaftseinrichtung schicken. "Impfpflicht wäre ein zu großer Eingriff in die Freiheitsrechte und ist deshalb kein Thema, aber direkte Aufklärung könnte ein Weg sein", sagt Rendi-Wagner, die eine öffentliche Diskussion darüber begrüßen würde.

"Impfen oder nicht impfen ist eine ethische Diskussion und angesichts der steigenden Krankheitszahlen ein gesellschaftliches Problem," bestätigt auch Druml. Infektiologin Wiedermann-Schmidt wünscht sich, abgesehen von einer einheitlichen und zentralen Datenerfassung zu den Durchimpfungsraten in der gesamten Bevölkerung. Masernimpfungen sind gratis, gut verträglich, und sehr effektiv. "Wenn wir wissen, in welchen Bevölkerungsgruppen die größten Impflücken vorliegen und warum, ist es leichter entsprechende Impfstrategien umzusetzen und Szenarien wie für eine Masernepidemie müssen nicht Wirklichkeit werden." (Karin Pollack, DER STANDARD, 14./15.2.2015)