Der EU-Kandidat Martin Ehrenhauser, der vor allem aus Protest gegen europäische Bankenrettungen auf dem Ballhausplatz kampiert, sollte sich eigentlich freuen. Die vom EU-Parlament diese Woche beschlossene Bankenunion ist ein Schritt in die richtige Richtung, um in Zukunft die Belastung der Steuerzahler durch solche Rettungsaktionen zu vermeiden.

Aber weder Ehrenhausers Sponti-Aktion noch die Bankenunion können mit Sicherheit verhindern, dass auch in Zukunft Steuerzahler zur Kasse gebeten werden, um strauchelnde Banken und andere Finanzinstitutionen im Notfall aufzufangen. Das liegt nicht an der Lobbymacht der Finanzindustrie oder an der Korrumpierung von Regierenden, die von unten nach oben umverteilen sollen, sondern an der Natur eines Finanzsystems und dem gewaltigen volkswirtschaftlichen Schaden durch Finanzkrisen, wenn der Staat nicht helfend eingreift.

Abwehr von Moral Hazard

Natürlich kann man sich auf dem Papier ein System wünschen, in dem Banker genauso wie andere Unternehmer im Krisenfall auf sich selbst gestellt sind. Das fördert im Normalfall verantwortliches Handeln und sollte Institute davon abhalten, durch "Moral Hazard" übermäßige Risiken einzugehen.

Aber wenn durch unternehmerische Fehlentscheidungen oder unkontrollierbare äußere Einflüsse einmal der Super-GAU eintritt und eine große, systemrelevante Bank vor dem Kollaps steht, dann darf die öffentliche Hand nicht abseits stehen. Das hat sich auch in der Weltfinanzkrise gezeigt.

Einlagensicherung bleibt

Das hat mehrere Gründe. Erstens bleibt die Einlagensicherung - nunmehr bis 100.000 Euro pro Anleger - einer der Grundsteine eines gut funktionierenden Bankensystems. Ohne sie droht bei jeder kleinen Krise ein Vertrauensschwund, der sofort in eine Bankenpanik mündet. Ziel ist es, dass der Bankensektor selbst diese Kosten trägt, wie er das etwa in Österreich tut. Aber bevor die Pleite eines Instituts alle anderen mitreißt, muss der Staat einspringen.

Zweitens: Die neue Bankenunion soll nun dafür sorgen, dass Aktionäre und Gläubiger zuerst bezahlen müssen, und dann soll ein von den Banken gespeister Fonds die Restkosten tragen. Das funktioniert, wenn die Gläubiger weit weg sind. Aber in unserem Finanzsystem sind die Institute eng verflochten. Die Gläubiger sind meist andere Banken, die durch solche Abwicklungsregeln mit in den Abgrund gerissen werden können. Kann der Staat das zulassen?

Drittens: Der von der Eurozone geplante Fonds wird selbst bei Fertigstellung mit 55 Milliarden Euro zu klein sein, um gleichzeitig mehrere Großbanken aufzufangen - und das erst nach acht Jahren.

Aus für "too big to fail"?

Deshalb fordern viele weitere Einschränkungen für Banken, entweder eine scharfe Trennung zwischen riskantem Handel und dem normalen Kreditgeschäft oder eine Beschränkung der Größe, damit keine Bank mehr "too big to fail" ist. Das Erstere wird in den USA und der EU auf verschiedene Weise versucht, erweist sich aber als schwierig. Denn ganz sauber lassen sich im modernen Finanzwesen nicht alle Tätigkeiten trennen.

Und das alte Trennbankensystem, das es etwa früher in den USA unter dem Glass-Steagall-Gesetz gab, ist auch keine Garantie. Lehman Brothers war eine reine Investmentbank. Und die Hypo Alpe Adria hat zumeist nur Kredite vergeben.

Bei der Größe läuft seit der Finanzkrise alles in die falsche Richtung: Die Finanzindustrie hat sich weiter konsolidiert, die Großen sind noch größer geworden. Und es wird nicht stabiler, wenn man die Banken aufspaltet. Denn auch kleinere Institute können schweren Schaden anrichten, wenn sie stark vernetzt sind. "Too interconnected to fail" bleibt eine ständige Gefahrenquelle.

Mehr Eigenkapital und weniger Schulden

Der beste Schutz ist es, wie Martin Wolf in der "Financial Times" schreibt, die Wahrscheinlichkeit von Krisen zu vermindern, indem man mehr Eigenkapital vorschreibt und die Verschuldungsquoten von Banken einschränkt. Aber bei einer dramatischen Fehlentwicklung - einem finanziellen "Jahrhunderthochwasser" - ist auch das wohl nicht genug.

Ein stabiles Finanzsystem braucht immer einen "lender of last resort", der einspringt, wenn alles schiefgeht. Das kann die Notenbank sein, wie etwa die Europäische Zentralbank für die Euro-Schuldnerstaaten. Mario Draghis Satz im Juli 2012, er werde tun, "was immer nötig ist", hat den Euro gerettet - und das vorerst ohne zusätzliche Kosten.

Aber in manchen Fällen muss der Staat einspringen, indem er Banken - oder auch sehr große Unternehmen - auffängt, restrukturiert und dann wieder verkauft. Mit etwas Glück geht das, ohne dass es den Steuerzahler am Ende etwas kostet. Aber garantieren lässt sich das nicht.

Teurer als jede Rettung

Und ein absolutes Verbot solcher Rettungsaktionen würde sich für die Volkswirtschaft letztlich viel teurer erweisen als alle Rechnungen, die nach gelungener Rettung dem Steuerzahler präsentiert werden.

Zum Glück wurden nach 2008 die meisten Banken aufgefangen. Die Alternative wäre viel schlimmer gewesen. Man kann nur hoffen, dass es in unserer Generation nicht wieder notwendig sein wird. (Eric Frey, derStandard.at, 17.4.2014)