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Rahul Gandhi führt die Kongresspartei in die indischen Parlamentswahlen. Favorit ist er allerdings nicht, diese Rolle ...

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... hat Narendra Modi von der BJP inne.

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Auch Arvind Kejriwal von der AAP werden gute Chancen eingeräumt.

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Kongresspartei-Chefin Sonia Gandhi hofft aber auf ihren Sohn.

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Rund fünf Monate vor den indischen Parlamentswahlen steht die regierende Kongresspartei angeschlagen auf dem politischen Parkett, gebeutelt von schlechten Wirtschaftszahlen und Korruptionsskandalen. Die jüngste Quittung dafür erfolgte Anfang Dezember, als die Kongresspartei bei Regionalwahlen in vier Bundesstaaten deftige Verluste hinnehmen musste. Und die Umfragewerte haben sich seitdem nicht verbessert.

Nun zieht die Partei mit der großen und tragischen Geschichte ihren letzten Trumpf und hat Rahul Gandhi am Freitag zum Anführer ihres Wahlkampfes gekürt. Der 43-Jährige, Teil der legendären Nehru-Gandhi-Politdynastie, soll im Mai den Absturz verhindern. Die Chancen stehen aber alles andere als gut. Und das hat auch mit Rahul Gandhi selbst zu tun.

Ein Stammbaum voller Premiers

Seit fast zehn Jahren sitzt Rahul Gandhi als Abgeordneter im Parlament. Auf sich aufmerksam gemacht hat er in dieser Dekade aber kaum. Überhaupt, so der Generalvorwurf gegen ihn, kann er kaum politische Erfahrung vorweisen. Vor seiner Zeit als Mandatar war in der Londoner Finanzwelt tätig. Von der Politik, so hieß es, wollte er sich gut wie möglich fernhalten. Dabei ist das in seiner Familie ein nahezu unmögliches Unterfangen, als Urenkel von Indiens erstem Premierminister Jawaharlal Nehru; als Enkel der indischen Premierministerin Indira Gandhi; als Sohn des ehemaligen Premierministers Rajiv Gandhi; und schließlich als Sohn der amtierenden Kongresspartei-Chefin Sonia Gandhi. Indira und Rajiv Gandhi wurden ermordet, auch das soll mit ein Grund sein, weshalb Rahul Gandhi der Politik so lange fern blieb.

Dementsprechend zögerte Rahul Gandhi auch sehr lange, die Kongresspartei in die Wahl zu führen. Angst vor einer Wahlniederlage soll er haben; oder einfach keine Lust auf den Posten des Premiers, hieß es. Nun aber hat er sich dem Wunsch seiner Partei gebeugt und am Dienstag erstmals öffentlich angedeutet, dass er den Job tatsächlich will. Zwar hat sich seine Mutter Sonia Gandhi gegen eine offizielle Nominierung als Premierministerkandidat ausgesprochen - das verstoße gegen die Parteitradition, argumentiert sie -, doch hat sie am Freitag bei einem Parteikongress in Neu-Delhi angekündigt, dass ihr Sohn den Wahkampf anführen werde.

Der Schüchterne

Rahul Gandhis familiärer Glamour, monieren Kritiker, ist der einzige Grund für seine Nominierung. Denn ansonsten verfügt der Junggeselle nicht über die Fähigkeiten eines Stimmenfängers, den die Kongresspartei derzeit so dringend benötigt. Schüchtern, introvertiert, distanziert soll er sein, also das genaue Gegenteil seines großen Gegenspielers Narendra Modi. Der gilt als ausgefuchster Polit-Profi, der alles im Repertoire hat, was einen Spitzenkandidaten auszeichnen sollte: Charisma, Wortgewalt, politische Erfahrung und eine Erfolgsbilanz.

Der Erfahrene

Als langjähriger Chefminister des Bundesstaates Gujarat verweist Modi auf seine unternehmerfreundliche Politik, mit der er in Zeiten überschaubaren Wirtschaftswachstums und hoher Inflation natürlich besonders punktet. Allerdings haftet dem 63-jährigen Spitzenkandidaten der nationalistischen Hindu-Partei BJP der Ruf eines Muslimhassers an. Hauptgrund dafür sind Ausschreitungen in Gujarat im Jahr 2002, als Modi dort bereits regierte. Nach einem Anschlag auf einen Zug mit hinduistischen Pilgern rächte sich ein Mob und tötete etwa 1000 Menschen, fast 800 von ihnen waren Muslime. Modi wurde vorgeworfen, nicht eingeschritten zu sein. Auch danach fiel Modi gerne einmal mit anti-muslimischen Sprüchen auf. Heute aber präsentiert er sich als überkonfessioneller Landesvater, Ende des letzten Jahres hat er sich entschuldigend zu den Ereignissen von 2002 geäußert. Modi kennt seinen Schwachpunkt.

Der Saubermacher

Was Schwächen betrifft, so leidet die Kongresspartei neben den schlechten Wirtschaftszahlen auch an diversen Korruptionsskandalen. Davon profitiert vor allem die erst Anfang 2013 ins Leben gerufene Partei des einfachen Mannes (AAP). An ihrer Spitze steht der ehemalige Steuerbeamte Arvind Kejriwal, der sich vor allem dem Kampf gegen die Korruption verschrieben hat. Unter anderem forderte der 45-Jährige, korrupte Politiker innerhalb eines Jahres einzusperren. 

Dazu kamen noch andere Versprechen wie jenes, den Strompreis zu halbieren, weshalb Gegner ihm gerne mal Populismus vorwerfen. So oder so, Kejriwals Politik führte rasch zum Erfolg. Anfang Dezember wurde die AAP bei ihrem ersten Wahlantritt in der Region Delhi auf Anhieb auf Platz zwei gewählt, hinter der BJP, aber vor der Kongresspartei. Diese unterstützte schließlich eine Minderheitsregierung der AAP, wodurch sich Kejriwal seit Kurzem Chefminister von Delhi nennen darf.

An den zwei schwächsten Flanken der Kongresspartei haben sich also zwei starke Kontrahenten postiert. Wie stark sie derzeit sind, zeigt eine Umfrage der Zeitung "The Times of India" der letzten Woche: 58 Prozent der Befragten wünschen sich Modi als Premierminister, immerhin 28 Prozent wollen Kejriwal als Regierungschef sehen. Nur 14 Prozent hingegen sprechen sich für Rahul Gandhi als Nachfolger des scheidenden Manmohan Singh aus.

Aufholjagd

Um diesen Rückstand noch aufzuholen, muss Gandhi die beiden großen Schwachpunkte der Kongresspartei beseitigen und die Stammklientel zurückgewinnen. Der Wahlsieg auf dem Subkontinent läuft über die sozial Schwächeren der mehr als 1,2 Milliarden Inder. Und genau dort schnitt die Kongresspartei bislang immer am stärksten ab. Nicht zufällig stellte sie in 55 von 67 Jahren seit Gründung des unabhängigen Indiens die Regierung. Sonia Gandhi, die mächtige Chefin der Kongresspartei und Rahul Gandhis Mutter, ist sich dessen bewusst und verabschiedete bereits im Sommer 2013 ein umgerechnet 16 Milliarden Euro teures Ernährungsprogramm, das rund 820 Millionen Menschen zugute kommen soll. Die Folgen der Wirtschaftsflaute sollen so abgefedert werden.

Auf der anderen Seite wäre da noch die Korruption. Mit dem Wechsel vom 81-jährigen Manmohan Singh zum 43-jährigen Rahul Gandhi wird ein Generationenwechsel durchgeführt, mit dem auch ein Schlussstrich unter die Korruptionsskandale gezogen werden soll. Sachin Pilot, amtierender Minister für Wirtschaftsangelegenheiten und mit seinen 36 Jahren auch ein Hoffnungsträger der Kongresspartei, kündigte gegenüber der Nachrichtenagentur Reuters an, dass Gandhi die Partei von Grund auf reformieren wolle. All die in Korruptionsskandale verwickelten Abgeordneten sollen abdanken, außerdem wolle Gandhi einen großen Teil der Kandidaten für die Parlamentswahlen selbst ernennen, sagte Pilot.

Sollte Gandhi diese Vorhaben auch tatsächlich umsetzen, wären die ersten Schritte gemacht. Doch für einen Wahlsieg im Mai müssen die Botschaften an die Wähler gebracht werden. Schüchternheit ist da fehl am Platz. (Kim Son Hoang, derStandard.at, 17.1.2014)