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Justizministerin Karl präsentierte ihr 25-Punkte-Paket "mit gutem Gewissen".

Foto: apa/Jäger

Wien - Es wäre nicht Wahlkampf, würde der Koalitionspartner nicht automatisch in die Pflicht genommen: Es brauche auf jeden Fall mehr Personal bei der Justizwache, beim Betreuungspersonal und beim Ausbau der Jugendgerichtshilfe, sagt Justizministerin Beatrix Karl (ÖVP).

Dafür sei Beamten- und Frauenministerin Gabriele Heinisch-Hosek (SPÖ) zuständig. Die kontert hingegen: Karl habe bereits dreimal um mehr Personal angesucht und es auch erhalten. 420 Planstellen mehr seien für die Zeit von 2010 bis 2014 geschaffen worden.

Zusätzlich sei das Justizministerium vom Aufnahmestopp ausgenommen, betont die Beamtenministerin im Gespräch mit dem Standard. "Wo sie das zusätzliche Personal einsetzt, ist aber ihre Sache", sagt Heinisch-Hosek.

Ministerin Karl präsentierte am Freitag ein Maßnahmenpaket zum Jugendstrafvollzug (siehe Artikel unten). Den möchte sie nämlich "deutlich verbessern", um damit "ein echtes Vorbild für Europa zu sein". Vor der Bekanntgabe hatte sie sich im Palais Trautson im Justizministerium mit Leitern sämtlicher Justizanstalten Österreichs getroffen, die über eine Jugendabteilung verfügen.

Verbesserungen durchsetzen

Nachdem vergangene Woche bekannt geworden war, dass es in den Jugendabteilungen von vier Gefängnissen zu sexuellen Übergriffen gekommen war, sieht Karl nun Verbesserungsbedarf. Auf die Frage, weshalb sie das Maßnahmenpaket erst jetzt erstellt habe, obwohl seit Jänner 2013 ein Bericht des Ludwig-Boltzmann-Instituts vorliegt, der sich äußerst kritisch mit den Haftbedingungen für Jugendliche auseinandersetzt, antwortet Karl: "Es geht um Sachpolitik, nicht um politische Schnellschüsse." Sie halte "nichts davon, Maßnahmen hinauszuposaunen, die nicht umzusetzen sind". Die nun vorgelegten Pläne seien "gut überlegt, deswegen kann ich sie jetzt guten Gewissens der Öffentlichkeit präsentieren".

So soll es etwa nur noch Zweibettzimmer in der Anstalt Wien-Josefstadt geben wie auch einen eigenen Nachtdienst. Außerdem will Karl die bestehenden Gefängnisse sanieren lassen. Die Anstalten im Wiener Raum seien "renovierungsbedürftig. Seit 30 Jahren hat sich in der Infrastruktur nichts Entscheidendes verändert."

Kritik an dem Paket gibt es von Experten. Alexia Stuefer, Generalsekretärin der Vereinigung österreichischer Strafverteidiger, schreibt in einem "Kommentar der anderen" für den STANDARD: "Die Unterbringung in Zweibettzimmern als Erfolg zu verkaufen ist ebenso fragwürdig, sieht das geltende Gesetz doch bereits jetzt die Unterbringung in Einzelzellen während der Nacht vor."

Es gelte: Kinder und Jugendliche gehören nicht ins Gefängnis. "Es ist ein Jugendgerichtshof mit umfassenden Kompetenzen statt ein neues Gefängnis zu bauen, wo Jugendliche mit Erwachsenen interniert werden", schreibt Stuefer.

Das sieht auch Udo Jesionek so. Der Präsident des 2003 aufgelösten Jugendgerichtshofs sagt, es brauche einen "eigenen Jugendgerichtshof, wo Richter, Jugendamt und Bewährungshilfe vernetzt arbeiten können".

Suizid eines 18-Jährigen

"Das Paket von Karl enthält viel Richtiges, kommt aber um Jahre zu spät" , sagt Albert Steinhauser, Justizsprecher der Grünen. "Es ist bedauerlich, was alles passieren muss, damit sich eine Justizministerin für Strafvollzug interessiert."

Auf einen "bedauerlichen Vorfall" kam Karl noch zu sprechen: Ein 18-Jähriger hat am Donnerstag in der Haftanstalt Gerasdorf Suizid begangen. Der Jugendliche hatte eine mehrmonatige Freiheitsstrafe wegen Diebstahls verbüßt, er war einmal zu sechs Monaten und einmal zu einem Monat Haft verurteilt worden, wäre aber laut Vollzugsdirektor Peter Prechtl im September entlassen worden. "Mein Beileid gilt der Familie", sagt die Justizministerin. (Saskia Jungnikl, DER STANDARD, 13.7.2013)