Martha Heizer: "Ich habe sehr viele Freunde, die jetzt schon gesagt haben, sie werden mich auf alle Fälle beerdigen."

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Martha Heizer: "Bitten werden wir ja noch dürfen. Ob das der Heilige Geist dann tut oder nicht, ist ihm überlassen."

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Die Tiroler Theologin und Kirchenkritikerin Martha Heizer hat den Zorn vieler Kirchenvertreter auf sich gezogen. Sie und vier Mitstreiter würden Eucharistiefeiern ohne Priester imitieren, lautet der Vorwurf. In der Kirchenwelt ist das ein "delictum gravius", also ein "schweres Vergehen", das die Exkommunikation nach sich ziehen kann.

Der heimische Klerus hat nun Untersuchungen in dieser Causa eingeleitet. Eine Stellungnahme des zuständigen Bischofs Manfred Scheuer soll "in den nächsten Wochen" im Vatikan sein. Dort entscheidet dann die Glaubenskongregation über mögliche Sanktionen (derStandard.at berichtete). Dass so hart gegen sie vorgegangen wird, kann Harzer nicht verstehen. Sie wolle dazu aufrufen, "über künftige Formen der Sakramentenspendung nachzudenken". Wie und warum Heizer ihre Feiern gestaltet und wer sie begraben wird, sollte sie von den Sakramenten ausgeschlossen werden, erzählte sie Katrin Burgstaller.

derStandard.at: Werden Sie zu Ostern wieder eine private Eucharistiefeier abhalten?

Heizer: Zunächst: Ich mag die Formulierung private Eucharistiefeier nicht. Denn die Eucharistiefeier ist nie privat. Wir feiern Eucharistiefeier in unserer Hauskirche, dieser Ausdruck ist mir lieber. Und: Ja, das werden wir tun. Wir werden aber am Gründonnerstag, Karfreitag und Karsamstag für die Auferstehung in der Gemeinde sein. Wir gehen ja auch in den normalen Gemeindegottesdienst. Nur, das ist nicht so intensiv. Im kleinen, vertrauten Kreis hat die Feier eine ganz andere Qualität. Hier hat auch das eigene Leben Platz.

derStandard.at: Wie kann man sich so eine Eucharistiefeier in der Hauskirche vorstellen?

Heizer: Wir sind fünf und sind immer bei jemand anderem. Wir sitzen um einen Tisch herum. Das ist eine normale Eucharistiefeier, wie man sie auch in der Gemeinde begeht. Wir haben keine Texte außer die  biblischen. Wir beten spontan und persönlich. Wir haben ein gutes Brot und einen guten Wein und bitten darum, dass der Heilige Geist beides - und uns - wandelt. Wir essen und trinken dann miteinander und singen und beten viel.

derStandard.at: Wie lange dauert das?

Heizer: Eineinhalb oder zwei Stunden. Alles, was uns bewegt, ist Teil unserer Eucharistiefeier.

derStandard.at: Viele Theologen sagen, nur ein geweihter Priester könne den Heiligen Geist um die Wandlung der Gaben bitten.

Heizer: Bitten werden wir ja noch dürfen. Ob das der Heilige Geist dann tut oder nicht, ist ihm überlassen. Wir haben das feste Vertrauen darauf, dass er das sowohl in der kleinen als auch in der großen Gemeinde tut. Ich glaube, man muss nicht einmal besonders gläubig sein, damit er die Gaben wandelt. Der Heilige Geist tut das nach seinem oder ihrem Belieben.

derStandard.at: Es heißt oft, Sie "imitierten" Eucharistiefeiern. Ziehen Sie sich dabei auch ein Priestergewand an?

Heizer: Aber wo, quatsch. Außerdem imitieren wir gar nichts. Wir sehen uns alle 14 Tage und beten miteinander, das ist dann ein einfacher Wortgottesdienst. Und immer wieder sagt jemand aus unserer Gruppe: Es ist Zeit, feiern wir wieder einmal. Bei jeder Eucharistiefeier gibt es jemanden, der vom einen Teil in den anderen überleitet. Also vom Kyrie zum Gloria und vom Gloria zur Schriftlesung. Das ist die einzige Funktion, es gibt keine Leitung.

derStandard.at: Ihre Gegner sagen, eine Feier gegen die liturgischen und kirchenrechtlichen Vorgaben sei ein Widerspruch in sich, deshalb könne das überhaupt keine Eucharistie sein.

Heizer: Gut, dann brauchen sie sich ja auch keine Sorgen zu machen. Es ist mir auch egal, ob das von außen anerkannt wird. Für uns ist es eine Eucharistie, wir freuen uns darüber und es tut uns gut.

derStandard.at: Die Glaubenskongregation im Vatikan wird über ihren Fall entscheiden. Ihre "illegalen Messen" werden als delicta graviora - schwerere Vergehen - behandelt.

Heizer: Uns wird die Entweihung der Eucharistie vorgeworfen. Es macht mich wahnsinnig, dass wir in dieser wunderschönen Feier, die uns so aufbaut und die Quelle und Mittelpunkt unseres Glaubenslebens ist, etwas entweihen sollen. So als würden wir Katzen kreuzigen.

Zu den delicta graviora zählen auch die Entweihung des Beichtgeheimnisses und sexueller Missbrauch an Leuten in der Beichte. Wenn ich mir vorstelle, dass wir in einer Reihe mit den Missbrauchstätern stehen, frage ich mich, wie sehr das alles auf dem Kopf steht. Sie sagen, wir maßen uns etwas an, was uns nicht zusteht. Wir sagen: Es ist die Frage, ob sich nicht der Klerus etwas anmaßt, indem er die Sakramentenspendung so an sich gezogen hat. Dazu kommt: Wir werden bald nicht mehr genug Kleriker haben. Dann sollten wir darüber nachgedacht haben, wie wir damit umgehen sollen.

derStandard.at: Die Kirche ist bekannt für ihre starren Strukturen. Rechnen Sie sich Chancen auf Veränderung aus?

Heizer: Die Veränderung kommt 100-prozentig nicht von oben. Wer die Macht hat, gibt sie nicht ab. Und in diesem Fall geht es vielfach um Macht. Die theologischen Argumente spielen nicht die Hauptrolle. In der Bibel steht, Jesus sagte, "nehmt und esst" und nicht "nehmt und esst, wenn ein ordinierter Priester vorhanden ist". Die Veränderung kommt von unten. Wenn von oben Repressalien kommen, müssen wir das eben in Kauf nehmen.

derStandard.at: Es droht Ihnen eine Beugestrafe oder auch die Exkommunikation. Wie geht es mit Ihnen weiter?

Heizer: Sie sagen, diese kleine Exkommunikation ist ein Interdikt (Verbot kirchlicher Amtshandlungen, Anm.), das wir uns schon selbst zugezogen haben, weil wir die Eucharistiefeier abgehalten haben. Wir weisen vehement zurück, dass wir uns damit schuldig machen. Das ist jenseits unserer - auch theologischen - Vorstellungskraft. Wir wurden aber bereits von allen kirchlichen Ämtern ausgeschlossen, mein Mann und ich hatten noch ehrenamtliche Ämter inne, diese sind ruhend gestellt worden, was für uns aber keine Katastrophe ist. Weiters können sie uns von den Sakramenten ausschließen.

derStandard.at: Ist das schon geschehen?

Heizer: Es kann sein, dass uns Priester die Kommunion verweigern, was bisher nicht geschehen ist. Ich bin getauft, gefirmt, verheiratet, von der Priesterweihe bin ich ohnehin ausgeschlossen, weil ich eine Frau bin. Für mich sind noch drei Sakramente übrig: die Eucharistie, Krankensalbung und Buße. Diese Sakramente werden sie uns verweigern, wenn es tatsächlich zur Exkommunikation kommt. Auf der anderen Seite gibt es die Anweisung, niemandem die Kommunion zu verweigern.

derStandard.at: Es könnte Ihnen also auch das kirchliche Begräbnis verweigert werden?

Heizer: Ja. Aber ich habe sehr viele Freunde, die jetzt schon gesagt haben, sie werden mich auf alle Fälle beerdigen. Ich glaube, der liebe Gott wird mich aufnehmen, unabhängig davon, wie meine Beerdigung verläuft.

derStandard.at: Haben Sie von höherer Stelle wieder einmal etwas gehört?

Heizer: Nein. Wir haben die fünf Verhöre einzeln hinter uns gebracht und seither nichts mehr gehört. Wir hätten gerne die Protokolle, die haben wir aber nicht bekommen. Wir haben den Bischof Scheuer um die Protokolle und um die Diözesanrichter-Stellungnahmen für Rom gebeten, aber wir haben keine Antwort bekommen.

derStandard.at: Wie würden Sie mit Sanktionen umgehen? Sie erkennen die Kritik des Klerus ja nicht an.

Heizer: Es fehlen alle Grundlagen für Sanktionen. Eine Strafe würden wir nicht anerkennen, weil wir kein Vergehen begangen haben. Es gab auch kein rechtsstaatliches Verfahren.

derStandard.at: Ihre Kritiker werfen Ihnen vor, dass Sie die Eucharistie als Kampf für die Kirchenreform einsetzen.

Heizer: Das ist keine Angelegenheit von "Wir sind Kirche", sondern von unserem Gebetskreis. Man kann die Kritik auch umdrehen. Man kann sagen, der Klerus verhindert alle Reformen und kämpft gegen das Kirchenvolk, das sich schon so lange Veränderungen wünscht.

derStandard.at: Dass Sie über Ihre Eucharistiefeiern offen reden, wird als Provokation empfunden. Lieber wäre es vielen Kirchenvertretern, Sie redeten einfach nicht darüber.

Heizer: Ja, das tun die meisten, und zwar schon seit Jahrzehnten. Wir wollen aber einfach nicht mehr zu dieser Verlogenheit beitragen. Wenn sich dadurch manche provoziert fühlen, kann ich nicht helfen. Provocare heißt herausrufen. Wir wollen aufrufen, über künftige Formen der Sakramentenspendung nachzudenken, wenn wir nicht mehr genügend Sakramentenspender haben werden. Es ist also eine Frage, wie sich die Kirche in der Zukunft darstellen wird. Und ob und wie Eucharistie gefeiert werden kann.

derStandard.at: Kürzlich gab es eine Debatte über einen Pfarrgemeinderat, der mit einem Mann in einer eingetragenen Partnerschaft lebt. Die Frage war, ob er dieses Amt übernehmen darf. Er darf - ist das eine große Revolution in der Kirche?

Heizer: Ich finde das normal. Wir haben so viele homosexuelle Priester, die allerdings nicht in eingetragenen Partnerschaften leben. Sie machen das eben im Verborgenen. 

derStandard.at: Zu Ostern werden Sie also wieder eine Eucharistiefeier in der Hauskirche veranstalten. Dürfen auch andere Leute mitmachen, wenn Ihnen diese sympathisch sind?

Heizer: Das hängt nicht an der Sympathie. Es kann kommen, wer will. Wir merken nur, dass wir einen relativ hohen Anspruch haben. Wir beten frei, persönlich, spontan und laut. Das sind viele Leute nicht gewohnt, und vielen ist das zu intim.

derStandard.at: Sie wirken insgesamt sehr gelassen. Nehmen Sie das drohende Ungemach aus Rom überhaupt ernst?

Heizer: Wir nehmen das sehr ernst und es ist uns sehr wichtig, aber wir sind bereit, einiges in Kauf zu nehmen. Denn: Wir sind überzeugt, dass wir für die Zukunft in der Kirche neue Wege brauchen.

derStandard.at: Danke. Dann wünsche ich Ihnen Frohe Ostern.

Heizer: Das wünsche ich Ihnen auch - und: ein paar erträgliche Liturgien. (Katrin Burgstaller, derStandard.at, 3.4.2012)