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"Wenn man schon an nichts glaubt, sollte man wenigstens gewisse Werte vertreten", sagt der Theologe und romkritische Publizist Rudolf Schermann. Ethik- und Religionsunterricht sollen beide diese Werte vermitteln.

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Was darf die Medizin? Was dürfen die Medien? - Fragen wie diese sollen im Ethikunterricht diskutiert werden.

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Wenn ein evangelischer Bischof, ein Alt-Dekan und ein kirchlicher Hochschuldirektor an das Unterrichtsministerium appellieren, erregt das Aufmerksamkeit. Besonders, wenn diese Herren gemeinsam den verpflichtenden Ethikunterricht in der Sekundarstufe II fordern. Der Landtmannsaal ist deshalb am Mittwochvormittag gut gefüllt, als sich der Bischof der Evangelischen Kirche Österreich, Michael Bünker, mit der Tatsache auseinandersetzt, dass "die Gruppe jener Menschen, die sich keiner in Österreich anerkannten Religion anschließen, stark am Wachsen ist".

Abmeldungen vom Religionsunterricht

Bei den Jugendlichen schlägt sich diese Entwicklung beim Religionsunterricht nieder, wobei es die Evangelische Kirche etwas schwerer hat als die Katholische: Rund 6,7 Prozent der Schüler, die einen katholischen Religionsunterricht besuchen, meldeten sich voriges Schuljahr ab. Bei den Evangelisch-Schülern waren es beinahe fünf Prozent mehr.

Im aktuellen Schuljahr hat sich bei den Evangelischen nicht viel geändert: "Von fast 41.000 SchülerInnen einer Pflicht- oder Höheren Schule haben sich rund 4.400 vom Evangelisch-Unterricht abgemeldet", teilt der Sprecher des Evangelischen Pressedienstes (EPDÖ) mit. Für katholische Schüler gebe es dieses Jahr noch keine Zahlen, heißt es von Seiten der Katholischen Kirche.

Keine Konkurrenz

Ob nun evangelisch, katholisch oder ohne Bekenntnis - Für all jene, die keinen konfessionellen Religionsunterricht besuchen wollen, soll es künftig flächendeckenden Ethikunterricht geben, forderte Bünker am Mittwoch. "Es hat sich gezeigt, dass es sinnvoll ist, für diese Schüler den Ethikunterricht als verpflichtendes Wahlpflichtfach einzurichten", so der evangelische Bischof. Für ihn stehe die Wichtigkeit dieses Faches außer Frage: "Wenn sich jemand abmeldet - und das steht jedem frei - stellt sich die Frage, ob sich der Staat aus der Verantwortung stehlen kann, etwas an einer sittlichen und ethischen Moral mitzugeben. Es ist nicht gut, wenn jemand 12 Jahre in die Schule geht und nichts über Fremdenliebe und Achtung vor dem Leben hört", sagte Bünker schon 2009 im Interview mit derStandard.at.

Auch Peter Kampits, Alt-Dekan der Fakultät für Philosophie und Bildungwissenschaften an der Uni Wien, sieht die Ethik-Stunde nicht als Konkurrenz zum Religionsunterricht. Beispiel dafür sei das "heilige Land Tirol, das sehr schnell den Schulversuch einführte", so Kampits, der selbst Ethik-Lehrer ausbildet.

13-jähriger Schulversuch

Seit 13 Jahren nehmen manche Pflicht- und Höhere Schulen am Schulversuch teil. Derzeit sind es 194 Bildungseinrichtungen. Eine davon ist das Parharmer Gymnasium im 17. Bezirk, das Marie-Sophie besucht. "Im Moment diskutieren wir über Asylpolitik in Österreich", erzählt die 15-Jährige. Sie nehme an keinem konfessionellen Unterricht teil, weil sie diesen in der Unterstufe für wenig interessant gehalten habe. Der Ethikunterricht gefalle ihr da schon besser. "Wir lernen hier sehr viel. Im Evangelisch-Unterricht haben wir dagegen nur über eine Religion gelernt."

Nach Angaben der EPDÖ seien auch die Evaluationen des Schulversuchs positiv ausgefallen. Als Erfolgsmodell wird das Oberstufenrealgymnasium Hegelgasse im ersten Wiener Gemeindebezirk genannt. Dort haben alle vier Parallelklassen gleichzeitig Religions- und Ethikunterricht. Nach Wunsch und Bedarf werden Themen auch klassenübergreifend behandelt. Außerdem gibt es ein gemeinsames Wahlpflichtfach Ethik-Religionen zur Vertiefung.

Ethikunterricht auf Eis gelegt

"Unterrichtsministerin Claudia Schmied hat vor wenigen Wochen weitere Schulversuchsanträge auf Eis gelegt", obwohl die Regierung sich in ihrem Programm auf den verpflichtenden Ethikunterricht festgelegt hätte, ärgert sich die EPDÖ. Außerdem müssten die betroffenen Schulen, die Kosten für den Unterricht selbstständig aufbringen. Das würde bedeuten, die Rektoren müssten anderen Fächern die Zeit für die Ethik-Stunde wegnehmen. "Plakativ gesagt heißt das Volleyball vs. Ethik", so die Kritik.

Im März vergangenen Jahres hat sich Schmied tatsächlich noch für einen verpflichtenden Ethikunterricht ausgesprochen: "Ich halte es für eine wichtige Forderung, ihn als Pflichtgegenstand anzubieten - das wäre neben dem Religionsunterricht durchaus zulässig", so die Ministerin bei einer Podiumsdiskussion im März 2010. Heute stehe die Budgetkonsolidierung der Umsetzung des Schulversuchs allerdings entgegen.

Ausbildung der Ethik-Lehrer

Michael Wagner, Rektor der Kirchlichen Pädagogischen Hochschule Wien/Krems, will für die Ausbildung der Ethik-Lehrer einen Ethik-Lehrgang als Zusatz anbieten. "Wir wollen auch in der Wertevermittlung beteiligt sein", so Wagner am Mittwoch. Bereits jetzt wären die Rückmeldungen der Lehrer, die eine Zusatzausbildung in Anspruch nehmen, sehr positiv, meint Kampits, der bereits Erfahrungen in der Schulung von Ethik-Lehrern hat. Er kritisiert allerdings, dass auch Religionslehrer den Ethikunterricht abhalten. "Für mich ist das Etikettenschwindel", so der Alt-Dekan.

Ethik auch für Religionsschüler

Von Seiten der Katholischen Kirche sind die Meinungen zum Ethikunterricht unterschiedlich. Der St. Pöltner Bischof Klaus Küng etwa begrüßt die Einführung des Ethik-Faches für Schüler, die sich vom Religionsunterricht abmelden. Im März 2010 einigten sich die österreichischen Bischöfe auf ein Miteinander des Religions- und Ethikunterrichts. Von ergänzendem Unterricht hält man dagegen nicht viel. Dies würde eine "Relativierung des konfessionellen Religionsunterrichts bedeuten", heißt es auf der Homepage der Katholischen Kirche Österreich.

Rudolf Schermann, Herausgeber des kirchenkritischen Monatsmagazins "Kirche In" sieht das anders. Der pensionierte katholische Pfarrer fordert, die Ethik-Stunden so zu legen, dass es nicht zu Überschneidungen im Stundenplan mit dem Religionsunterricht kommt. Auch Religionsschüler sollten bei Interesse am Ethik-Unterricht teilnehmen können. "Es ist wichtig, dass alle über die verschiedenen Religionen und Strömungen Bescheid wissen und dann ihren eigenen Weg wählen", so Schermann im Gespräch mit derStandard.at. (Daniela Neubacher, derStandard.at, 19. Jänner 2011)