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Wenn sich Stiftungsvorstände zu diskreten Besprechungen treffen, gibt es derzeit fast nur ein Thema: Wer darf nach der Judikatur des Obersten Gerichtshofs eigentlich noch im Vorstand sitzen?

Foto: Corbis

Die Regierung erhöht die Stiftungssteuer, und der OGH sät durch seine umstrittene Judikatur Rechtsunsicherheit. Stiftungsexperten warnen, dass das so erfolgreiche Modell der Privatstiftung unter die Räder zu kommen droht.

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Die Entscheidung der Regierung, die Zwischensteuer auf Kapitalerträge für Privatstiftungen 2011 von 12,5 auf 25 Prozent zu erhöhen, sorgt unter Stiftungsexperten für Unmut. Formell seien Stiftungen nun anderem Vermögen gleichgestellt, sagt Andreas Bauer, Partner bei Brauneis Klauser Prändl (BKP), denn auch dort gebe es 25 Prozent Kapitalertragsteuer. "Materiell sind die Stiftungen nun aber benachteiligt, denn sie müssen auch die Kosten der Aufrechterhaltung der Stiftung tragen", fügt er hinzu.

Katharina Müler, Partnerin der Sozietät Wilheim Müller, sieht nun kaum noch steuerliche Motive für Stifter. "Reine Geldstiftungen wird es vermutlich weniger geben, bei Vermögenswerten wie Immobilien, Unternehmensanteilen oder immateriellen Rechten bleibt die Stiftung als Instrument der Vermögensweitergabe aber interessant."

Mit dem Budget 2011 sind aber noch nicht alle Steuerfragen geklärt. "Möglicherweise stehen noch mehr Verschlechterungen für Stifter ins Haus", warnt David Bauer, Anwalt bei DLA Piper. "Gerade hat der Verfassungsgerichtshof beschlossen, die Frage zu prüfen, ob die Heranziehung unterschiedlicher Bemessungsgrundlagen für unterschiedliche Vermögenswerte zulässig ist."

Konkret stößt sich der VfGH daran, dass sich die Stiftungseingangssteuer bei Liegenschaften am niedrigen Einheitswert orientiert: Der dreifache Einheitswert wird mit sechs Prozent besteuert , während der Eingangssteuersatz von Wertpapieren, Unternehmensbeteiligungen, Kunstwerken oder Bargeld vom Verkehrswert berechnet wird. Sollte sich der VfGH im Gesetzesprüfungsverfahren gegen die Einheitswertbemessung entscheiden, verteuert sich die Einbringung von Liegenschaften ganz maßgeblich.

David Bauer versteht die Bedenken des VfGH nicht: "Sinn der Regelung war, die Zersplitterung von Grundstücken zu vermeiden, deshalb wurden sie ja in die Stiftung eingebracht. Liegenschaften lassen sich eben nicht mit anderen Vermögenswerten vergleichen. Weil sie über Generationen in der Stiftung verbleiben sollen, wäre es unbillig, sich bei der Einbringung am Marktwert zu orientieren."

OGH-Judikatur als Problem

Schon im Vorjahr hatte der Oberste Gerichtshof mit seinen jüngsten Judikaten (siehe Artikel rechts) Stifter, Begünstigte und Rechtsanwälte gehörig ins Schwitzen gebracht. Insbesondere die Entscheidung, wonach die Stellung als Vertreter des Begünstigten mit der einer Mitgliedschaft im Stiftungsvorstand unvereinbar ist, stelle in der Praxis ein großes Problem für alle Beteiligten dar.

"Ein Stiftungsvorstand setzt sich typischerweise aus drei Personenkreisen zusammen: dem Anwalt, dem Steuerberater und dem engsten Freund der Familie", sagt Andreas Bauer von BKP. Verständlich, die Vorstandsposition ist ein "Vertrauensamt". Kein Stifter und kein Begünstigter will die Führung der Stiftung irgendjemandem überlassen."

Bei Stiftungen, die erst gegründet werden, lassen sich die Vorstellungen des OGH über die Besetzung des Stiftungsvorstands nolens volens berücksichtigen. Was aber soll mit den existierenden Stiftungsvorständen geschehen, die sich seit eh und je aus Vertretern des Stifters zusammengesetzt haben? Wer ist nun wirklich vom Vorstandsmandat ausgeschlossen? Was sind die Konsequenzen aus der Unvereinbarkeit der Stellung als Begünstigtenvertreter und der Vorstandsmitgliedschaft? Ist bei einem aufrechten Vertretungsverhältnis von einer absoluten Nichtigkeit der Bestellung auszugehen? Was bedeutet die OGH-Judikatur für aktuelle Beschlüsse des Vorstands? Das sind nur einige der Fragen, mit denen Stifter und Stiftungsvorstände ihre Anwälte derzeit konfrontieren.

Die Sorgen scheinen gerechtfertigt. Clemens Hasenauer, Partner bei Cerha Hempel Spiegelfeld Hlawati (CHSH), kann sich gut vorstellen, dass die Unklarheiten auch auf Rechtsstreitigkeiten mit Privatstiftungen Auswirkungen haben werden: "Jeder Prozessgegner einer Stiftung wird in so einem Fall die Nichtigkeit aller Rechtsakte des Stiftungsvorstands behaupten. Ob man mit dieser Einwendung Erfolg haben wird, ist ungewiss, darüber müssen sich die Gerichte Gedanken machen. Aber als Anwalt wird man es jedenfalls probieren."

Klarstellung gewünscht

Am Zug sei nun der Gesetzgeber, betont Andreas Bauer. "Die 'Community' wartet nun ungeduldig auf die dringend erforderliche Klarstellung."

Katharina Müller ist da wenig optimistisch: "Meine Aufgabe als Anwältin ist es, umfassend zu informieren. Das führt im Stiftungsrecht leider dazu, dass die Mandanten verunsichert sind. Deshalb wünsche ich mir endlich rechtliche Klarheit. Die dürfte es aber in naher Zukunft nicht geben." Sie empfiehlt jedem Stifter, wenig Risiko einzugehen, seine Stiftung zu durchleuchten und gegebenenfalls Anpassungen vorzunehmen.

David Bauer von DLA Piper hält hingegen nichts von vorauseilendem Gehorsam: "Ich rate meinen Klienten von überhasteten Maßnahmen ab, denn die neuere Rechtsprechung des OGH ist nach Meinung aller Rechtsexperten weder mit dem Wortlaut noch mit dem Sinn des Privatstiftungsgesetzes in Einklang zu bringen. Wir werden sehen, was die nächsten Entwicklungen bringen."

Österreich tue derzeit alles, um potenziellen ausländischen Stiftern das Interesse am Standort Österreich auszutreiben, klagt Christoph Kraus, Generalsekretär des österreichischen Stiftungsverbandes, "Intention des Gesetzgebers war 1993 unter anderem, Arbeitsplätze und Kapital in Österreich zu halten. Das ist bisher gelungen. Wir merken nun an der sinkenden Zahl der Neugründungen deutlich, dass die politisch motivierte Diskussion abschreckend wirkt."  (Judith Hecht, DER STANDARD, Print-Ausgabe, 27.10.2010)