Nach den jüngsten OGH-Entscheidungen fragen sich viele Stiftungen, ob ihre Organe rechtmäßig besetzt sind. Entgegen der Ansicht eines Fachgutachtens muss diese Frage der jeweilige Stiftungsprüfer beantworten. 

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Zwei vieldiskutierte Entscheidungen des Obersten Gerichtshofes im VorJahr betreffen die Besetzung von Stiftungsorganen: Die Beirats-Entscheidung (OGH 5. 8. 2009, 6 Ob 42/09h) behandelte die Besetzung eines aufsichtsratsähnlichen Beirats mit Begünstigten, die Rechtsanwalts-Entscheidung (OGH 16. 10. 2009, 6 Ob 145/09f) betraf die Besetzung des Vorstands mit Rechtsberatern von Begünstigten (und wird auf andere Berater wie Steuer- und Vermögensberater analog ausgedehnt).

In der Praxis herrscht seitdem sowohl bei den Firmenbuchgerichten als auch bei den Betroffenen auf Stiftungsebene Unklarheit über die konkreten Auswirkungen der Entscheidungen. Zum Teil wird von den Firmenbuchgerichten bei Neubestellungen von Vorstandsmitgliedern eine Erklärung verlangt, dass keine Interessenkollision im Sinne der Rechtsanwalts-Entscheidung vorliegt. Eine Überprüfung bereits bestehender Vorstandsmandate und der Besetzung von Beiräten erfolgt durch die Firmenbuchgerichte aber bislang offenbar nicht. In diesem Zusammenhang ist daher zu überlegen, ob eine solche Überprüfung nicht im Rahmen der Stiftungsprüfung erfolgen sollte bzw. sogar erfolgen muss.

Der Stiftungsprüfer ist neben dem Stiftungsvorstand das zweite zwingend vorgesehene Organ der Privatstiftung. Da bei der Privatstiftung aufgrund der Eigentümer- bzw. Gesellschafterlosigkeit ein immanentes Kontrolldefizit besteht, kommt dem Stiftungsprüfer als Kontrollorgan besondere Bedeutung zu. Der Gesetzgeber hat den Stiftungsprüfer daher auch mit wesentlich weiter gehenden Befugnissen ausgestattet als den Abschlussprüfer einer Kapitalgesellschaft. So ist der Stiftungsprüfer befugt, sowohl eine Sonderprüfung als auch die gerichtliche Bestellung oder Abberufung von Mitgliedern eines Stiftungsorgans zu beantragen.

Das Privatstiftungsgesetz (PSG) enthält eigene Vorschriften über den Gegenstand und Umfang der Stiftungsprüfung. Aufgrund eines Verweises sind daneben einige Bestimmungen des Unternehmensgesetzbuches sinngemäß anzuwenden. Der Stiftungsprüfer hat daher neben dem Jahresabschluss und dem Lagebericht auch zu prüfen, ob die gesetzlichen Vorschriften und ergänzenden Bestimmungen der Stiftungsurkunden eingehalten worden sind. Sowohl die Besetzung des Stiftungsvorstandes als auch die Zusammensetzung eines Beirats ist nach dem Gesetzeswortlaut grundsätzlich vom Gegenstand der Stiftungsprüfung umfasst.

Gutachten des Fachsenats

Im Juni dieses Jahres beschloss der Fachsenat für Unternehmensrecht und Revision der Kammer der Wirtschaftstreuhänder ein Fachgutachten betreffend ausgewählte Fragen bei der Prüfung von Privatstiftungen (KFS/PE 21). Im Fachgutachten werden auch die beiden oben genannten Entscheidungen und sich daraus ergebende Konsequenzen für die Stiftungsprüfung behandelt.

Nach dem Fachgutachten ist der Stiftungsprüfer nicht generell verpflichtet, die ordnungsgemäße Besetzung der Stiftungsorgane zu prüfen. Vorrangig ist jene Person, die eine Organfunktion übernimmt, selbst verpflichtet zu prüfen, ob sie von der Übernahme der Funktion ausgeschlossen ist oder nicht. Nur dann, wenn dem Stiftungsprüfer bekannt wird, dass zweifelsfrei eine Inkompatibilität vorliegt, hat er die Redepflicht auszuüben und gegebenenfalls das Gericht einzuschalten.

Nachforschungspflicht

Aufgrund der dem Stiftungsprüfer vom Gesetzgeber zugedachten Funktion als umfassendes Kontrollorgan erscheint es fraglich, ob die Prüfungskompetenz in Zusammenhang mit der Besetzung von Organen tatsächlich so einschränkend wie im Fachgutachten ausgelegt werden sollte. Vielmehr müsste eine Nachforschungs- und Prüfungspflicht des Stiftungsprüfers bereits dann angenommen werden, wenn Anhaltspunkte bestehen, dass eine Inkompatibilität oder ein Interessenkonflikt, der zu Abberufbarkeit führen könnte, vorliegt oder Privatstiftungsorgane fehlerhaft zusammengesetzt sind.

Der Stiftungsprüfer, der über wesentlich umfassendere Informationen über die Stiftungsorgane als das Firmenbuchgericht und durch sein Auskunftsrecht auch über ein geeignetes Instrumentarium verfügt, erscheint als die am besten geeignete Stelle, um die ordnungsgemäße Besetzung der Stiftungsorgane zu überprüfen und gegebenenfalls entsprechende Anträge bei Gericht zu stellen. (Hartwig Kienast, DER STANDARD, Print-Ausgabe, 27.10.2010)