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Der Funktionär als Postler: Auch offene Kuverts wurden in Wien eingesammelt

Foto: AP/Di BElla

Noch am letzten Sonntag stellte Christoph Matznetter im ORF-Interview klar: Nein, die Roten seien anders. Während der schwarze Wirtschaftsbund von Betrieb und Betrieb tingle und sich als Wahlkarten-Einsammler mit fragwürdigen Motiven geriere (derStandard.at berichtete), gelte beim Sozialdemokratischen Wirtschaftsverband (SWV) das Prinzip: "Wir sammeln nur bei SympathisantInnen".

Wie ein vom SWV als Wahlhelfer angeheuerter Student gegenüber derStandard.at erzählt, dürfte das Sympathisieren eher großzügig ausgelegt worden sein: Sie seien zwar mit Namenslisten per Taxi in die Bezirke ausgeschickt worden, erzählt der Student, der anonym bleiben will. Was darauf stand, war aber nicht so wichtig: "Betrachten sie die Listen nur als Richtadressen und gehen sie in den jeweiligen Straßenzügen in jedes Geschäft", wurden die WahlhelferInnen in einem E-Mail, das der Redaktion vorliegt, angewiesen.

Der Student berichtet auch von Unregelmäßigkeiten bei der Verwertung der Wahlkarten: Er habe "meinen Augen nicht getraut", als er "im SWV-Büro offene Wahlkartenkuverts herumliegen gesehen habe", so der Student.

"Gelben Zettel mitnehmen"

Ähnliches erzählt Lisa G. (Name d. Red. bekannt), die ebenfalls für den SWV im Wahlkarten-Einsatz war. "Bei der Einschulung haben sie uns gesagt, dass wir ruhig auch offene Kuverts einsammeln dürfen". Sogar jene WählerInnen, die noch über keine Karte, aber den gelben Zettel der Post verfügten, habe man nicht vernachlässigen dürfen, erzählt G.: "Wir sollten sogar den gelben Zettel mitnehmen". Der SWV würde die Betreffenden später abholen, um mit ihnen zur Post zu fahren, hätte es bei der Einschulung geheißen. "Da haben wir uns alle gewundert."

Beide Studierenden haben nach kurzer Zeit den Job beendet - nicht primär aus moralischen, sondern aus finanziellen Gründen: Für jede Wahlkarte waren fünf Euro Provision versprochen worden. "Wir haben aber keine einzige Karte eingesammelt", erzählt G.: "Entweder, sie haben noch keine bekommen, oder sie wollten sie selbst zur Post bringen." Er sei im "besten Team" gewesen und habe an einem langen Arbeitstag nur sieben Wahlkarten ergattert, erzählt auch der Student, der sich über die "Verschwendung" der Kammer-Gelder ärgert.

"Wähler selbst verantwortlich"

Günter Wandl, Geschäftsführer des Sozialdemokratischen Wirtschaftsverbands Wien (SWV), dementiert die Vorwürfe. "Wenn ein Wähler ein offenes Kuvert abgeben will, dann wird er normalerweise aufgefordert, es zuzumachen." Im Prinzip sei jedoch "der Wähler selbst verantworlich, dass das Kuvert zu ist", so Wandl, der die WahlhelferInnen verteidigt: "Man wird ja nicht sagen, diese Karte greif ich nicht an."

Dass wirklich nur SWV-SympathisantInnen mit dem Abhol-Service bedacht worden seien, will Wandl nun nicht mehr so stehen lassen: "Wenn man auch gleich ins Nebengeschäft geht, dann ist das ja keine Verfehlung."

Dass der Aufwand für die Taxi-Division kaum in einem annehmbaren Verhältnis mit den eingeholten Wahlkarten steht, gibt auch Wandl zu: "Als Geschäftsführer habe ich damit selbst ein Problem. Aber es war ja nicht voraussehbar, dass die Aussendung der Wahlkarten so lange dauert."

"Nur gemeinsam ändern"

Der SWV fordert nun eine Wahlrechts-Änderung: Bei der nächsten Wahl sollen keine Fraktions-VertreterInnen mehr Wahlkarten einsammeln dürfen. Selbst mit gutem Beispiel voran gehen wollen die Roten nicht: "Wenn wir das ändern, dann nur alle gemeinsam."

Im Wirtschaftsbund war bisher jedoch keine Rede von einer Änderung des Systems: Die herbe Kritik der übrigen Fraktionen am Vorgehen der schwarzen Wahlkarten-SammlerInnen blieben bis dato unkommentiert. (Maria Sterkl, derStandard.at, 26.2.2010)