Parkinsonpatient Ron Addison posiert für eine Kampagne der Parkinsongesellschaft in Kalifornien: Demnach fördert Bewegung den Dopaminspiegel.

Neue Hypothesen könnten die Neurologieforschung revolutionieren. So gibt es Hinweise darauf, dass der Morbus Parkinson ("Schüttellähmung") seinen Ursprung im Darm mit "infektiösen", falsch gefalteten Proteinen hat, hieß es bei einer Pressekonferenz der Österreichischen Gesellschaft für Neurologie (ÖGN) in Wien.

Dabei geht es auch um völlig neue Erkenntnisse zur Entstehung neurodegenerativer Erkrankungen. Immunologie und sogar Teilbereiche der Infektiologie spielen offenbar in der Grundlagenforschung eine immer größere Rolle.

"Wir hätten uns früher nie gedacht, dass wir uns als Neurologen einmal mit Veränderungen im Darm oder in der Haut beschäftigen würden", sagte Werner Poewe, Direktor der Universitätsklinik für Neurologie in Innsbruck.

Ähnlich wie BSE

Die neuen Thesen zur Krankheitsentstehung von Morbus Parkinson, der schlussendlich durch einen Mangel an Dopamin im Gehirn durch den Untergang der Dopamin-produzierenden Zellen führt, klingen buchstäblich aufregend. Man hat vor Jahren bemerkt, dass sich im Laufe der Erkrankung nicht abbaubare Zusammenballungen des Proteins Alpha-Synuclein in den Nervenzellen bilden. Sie können durch eine falsche Faltung von den natürlichen Abbaumechanismen nicht beseitigt werden.

Daraus entstand für den Morbus Parkinson eine "Prion-Hypothese" in Ableitung der Krankheitsursachen für BSE bzw. die Creutzfeldt-Jakob-Krankheit, wo räumlich falsch strukturierte Proteine im Nervensystem wie infektiöse Krankheitserreger weiterwandern und Schaden anrichten. "Wenn irgendwo so etwas passiert, werden diese Proteine auch freigesetzt, wandern zu den nächsten Zellen und können ihre falsche Faltung übertragen", sagte Poewe. Dies könnte auch bei der schädlichen Alpha-Synuclein-Form im Rahmen der Schüttellähmung der Fall sein.

Diese These wird durch Erkenntnisse ergänzt, die darauf hinweisen, dass das erste falsch gefaltete Synuclein im Darm entsteht, dann über den Vagus-Nerv ins Gehirn wandert und sich in jenen Regionen festsetzt, wo das Dopamin produziert wird. Dort tritt dann die Schädigung auf.

Darm-Hirn-Achse

Es gibt zwei Belege dafür, dass die Hypthese stimmen könnte: Dresdener Neurowissenschafter haben in einem Tiermodell durch einen entzündungsfördernden Stoff bei den Versuchstieren die Bildung solcher "falscher" Alpha-Synucleine hervorgerufen und ihre Wanderung über den Vagus-Nerv – also über die sogenannte Darm-Hirn-Achse – verfolgt. Bei den Tieren entstanden schließlich Parkinson-ähnliche Krankheitsbilder. Durchtrennten die Wissenschafter aber nur jenen Vagus-Nerven-Strang, der zu einer Gehirnhälfte führt, war nur eine Gehirnhälfte von den Veränderungen betroffen.

Gestützt wird das eventuell auch durch rückblickende epidemiologische Untersuchungen aus Schweden. Vor dem Einsatz der modernen Antazida und Protonenpumpenhemmer war die chirurgische Durchtrennung des Vagus-Nervs bei Patienten mit sonst nicht behandelbaren Magen- und Zwölffingerdarmgeschwüren eine Behandlungsmöglichkeit. Poewe sagte dazu: "Bei Menschen, bei denen man den gesamten Vagus-Nerv durchtrennt hat, war innerhalb von 20 Jahren die Parkinson-Erkrankungsrate geringer."

Dass die Immunologie in diesem Bereich immer wichtiger wird, zeigt auch der Umstand, dass es immer mehr Forschungen zu Therapeutika auf der Basis von Impfungen etc. für chronische neurologische Erkrankungen gibt. In Innsbruck läuft beispielsweise eine Studie mit 32 Parkinson-Patienten, die eine Impfung gegen Alpha-Synuclein erhalten. (APA, 14.3.2016)