Der schleichende Tod von Dopamin-produzierenden Nervenzellen in einem bestimmten Gehirnareal ist die Ursache der Parkinson-Krankheit. Wissenschafter vom Deutschen Krebsforschungszentrum Heidelberg (DKFZ) haben jetzt dazu erstmals nachweisen können, dass ins Gehirn eingewanderte Immunzellen maßgeblich zu diesem Absterben von Nervenzellen beitragen.
Unbekannte Entstehung
Der Hintergrund: Ein kleines Areal im Mittelhirn, die sogenannte Substantia nigra, ist die Steuerzentrale für alle Bewegungsabläufe des Körpers. Ein zunehmender Verlust an Dopamin-produzierenden Neuronen in diesem Gehirnareal führt daher zu den Kardinalsymptomen von Morbus Parkinson - Bewegungsarmut, Starre und Zittern, heißt es in einer Aussendung des DKFZ.
Seit einigen Jahren häuften sich die wissenschaftlichen Indizien, dass entzündliche Veränderungen im Gehirn eine wesentliche Rolle bei Parkinson spielen. Ob diese Entzündungen "gehirnintern" entstehen oder ob auch Zellen der angeborenen Immunabwehr aus dem Blut beteiligt sind, war bisher aber weitgehend unbekannt.
Im Deutschen Krebsforschungszentrum erforscht das Team um Ana Martin Villalba die Ursachen des Zelltods im zentralen Nervensystem. Die Neurowissenschafterin hatte den Verdacht, dass ein bestimmtes Molekülpaar, das CD95-System, zum Nervensterben bei Morbus Parkinson beiträgt: Der CD95-Ligand, eine Proteinstruktur, die passgenau an den sogenannten Todesrezeptor CD95 andockt.
Um das Nervensterben an Mäusen untersuchen zu können, machten sich die Wissenschafter ein Modellsystem zunutze: Die chemische Substanz MPTP führt selektiv den Tod Dopamin-produzierender Nervenzellen im Gehirn herbei, was bei den Tieren Parkinson-ähnliche Symptome auslöst.
Tod der Nervenzellen
In Mäusen jedoch, deren Entzündungszellen (Monozyten, Microglia) kein CD95L bilden konnten, ließ sich mit MPTP nahezu kein Nervensterben auslösen. CD95L-tragende Entzündungszellen haben offensichtlich eine Mitschuld am Tod der Nervenzellen. Jedoch war den Wissenschaftlern nicht klar, ob dabei die als Microglia bezeichneten im Gehirn ansässigen Fresszellen oder aber aus dem Blut einwandernde Monozyten die wahren Schuldigen sind.
Bei dieser Unterscheidung half ein Wirkstoff, der CD95L blockiert, jedoch die Blut-Hirn-Schranke nicht überwinden kann. Dieser Wirkstoff erreicht daher ausschließlich die Entzündungszellen im Blut, aber nicht die Microglia im Gehirn. Mäuse, die mit dieser Substanz behandelt wurden, waren ebenfalls vor dem MPTP-induzierten Nervenzelltod geschützt.
"Damit haben wir erstmals gezeigt, dass periphere Entzündungszellen des angeborenen Immunsystems für die Neurodegeneration mitverantwortlich sind", schrieben die Erstautoren der jetzt dazu publizierten wissenschaftlichen Arbeit Liang Gao und David Brenner: "Eine Schlüsselrolle dabei spielt CD95L, das die Mobilität dieser Zellen steigert."
Entzündungsfördernde Monozyten
Studienleiterin Ana Martin-Villalba geht davon aus, dass es bei Morbus Parkinson im Gehirn zu einem sich selbst aufschaukelnden Teufelskreis kommt: Wenige Nervenzellen, die infolge unterschiedlicher Ursachen zugrunde gehen, locken durch ihren Zerfall Entzündungszellen herbei, die ihrerseits mit entzündungsfördernden Signalmolekülen das Nervensterben weiter anfeuern.
Noch können die Forscher nur indirekt darauf schließen, dass diese an Mäusen gewonnenen Ergebnisse auch bei der Parkinson-Krankheit des Menschen eine Rolle spielen. Gemeinsam mit Kollegen aus Ulm hat Martin-Villalbas Team aber vor kurzem im Blut von Parkinson-Patienten eine erhöhte Anzahl entzündungsfördernder Monozyten gefunden, die überdies hyperaktiv waren. Die Anzahl der Zellen korrelierte mit dem Grad der Krankheitssymptome.
Jedoch wissen die Forscher noch nicht, ob diese Entzündungszellen, wie bei den Parkinson-Mäusen, auch in das Gehirn der Patienten einwandern und dort zum Untergang der Neuronen beitragen. Hypothetisch könnten vielleicht Wirkstoffe gegen CD95L eine Therapie bei Morbus Parkinson darstellen. (red, derStandard.at, 2.4.2015)