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Die Wahlurnen sind wieder verräumt, die Koalitionsverhandlungen laufen. Dennoch bleiben nach der Wien-Wahl Fragen offen.

FOTO: APA/ROLAND SCHLAGER

Ein paar Wochen ist es nun schon her, dass das Duell des Jahres geschlagen und die "Oktoberrevolution" wieder abgesagt wurde. Die vielen Plakate mit den netten Menschen, die aussehen, als würden sie eine Versicherung verkaufen wollen, sind längst abmontiert, Herr und Frau Österreicher können sich wieder ihrem beschaulichen Leben zuwenden. Oder anderen Dingen zum Beispiel der Panik vor TTIP. Oder der Frage, ob die EU bald vorschreiben darf, wie dick die Panade beim Wienerschnitzel sein muss. Dennoch bleiben einige Fragen nach der Wien-Wahl offen, die uns – auch wenn sie in den Medien wieder durch die Flüchtlingskrise verdrängt wurden – noch beschäftigen sollten. Die wohl brennendste Frage lautet: Was ist das Wort eines österreichischen Politikers wert?

Denn vor den Wahlen ist alles möglich. Wir alle kennen sie, die "Zuckerln", welche vor jeder Wahl scheinbar aus dem Nichts hervorgezaubert werden, die sich dem Wähler so köstlich präsentieren: Arbeitsplatzgarantien, leistbares Wohnen, Aufstockung der Investitionen in Bildungseinrichtungen und der Ausbau des öffentlichen Verkehrssystems. Der Wähler ist es bereits gewöhnt, Honig ums Maul geschmiert zu bekommen. Wenn es um die Umsetzung der Versprechen geht, sind meist andere Themen in den Medien präsent und spätestens nach ein paar Monaten haben sie fast alle Menschen ohnehin vergessen. Was aber ist mit jenen Versprechen, die ganz einfach und direkt nach der Wahl umzusetzen wären?

Rücktritt vom Rücktritt

Noch vor den Wahlen etwa sagte die Spitzenkandidatin der Grünen, Maria Vassilakou: "Sollte es zu Verlusten kommen, was ich nicht glaube, dann bedeutet das für mich auch, dass es an der Zeit ist, dass die nächste Generation bei den Grünen übernimmt." Nun, nach den Wahlen, und einem Minus für die Grünen, will diese doch wieder weitermachen wie bisher. Die Koalitionsverhandlungen laufen, es scheint so, als hätte es diese Aussage nie gegeben. Die offizielle Seite der Grünen Spitzenpolitikerin lässt dazu in den Kommentaren folgendes verlautbaren: "Maria Vassilakou hat aufgrund des Wahlergebnisses (-0,8%) der Partei am Montag abend ihren Rücktritt angeboten. Diese hat das dankend abgelehnt. LG Team Vassilakou" Eine äußerst dürftige Rechtfertigung, obliegt es der ehemaligen Vizebürgermeisterin schließlich doch noch immer selbst, ihr Amt niederzulegen.

Das Glaubwürdigkeitsproblem der österreichischen Politiker wird gerade durch solche Aktionen nur noch verstärkt. Dass gerade die Grünen sich diesen Ausrutscher leisten, macht es nur umso schlimmer, war doch für keine andere Partei das Saubermann- beziehungsweise Sauberfrau-Image so wichtig wie für diese.

Keine Duelle

Ja, im Wahlkampf muss man zuspitzen, um jede Stimme wird gekämpft und viele Aussagen sind wohl leider – oder glücklicherweise – nicht für bare Münze zu nehmen. Doch genau hier liegt auch das Problem. Die österreichische Politik sollte endlich beginnen, aus ihrem Handeln die Konsequenzen zu ziehen. Und wenn sie nicht zumindest ernsthaft den Versuch zu unternimmt, Wahlversprechen auch einzulösen, dann wird sich der allgemeine Eindruck, dass das Wort eines Politikers nichts wert ist, so stark manifestieren, dass ein unwiederbringlicher Vertrauensverlust die Folge sein wird.

Anstatt die Wählerschaft mit Hilfe von gar nicht stattfindenden Duellen für eine Wahl zu mobilisieren, wäre es sinnvoller, die Menschen mit ehrlicher und aufrechter Politik zum Urnengang zu bewegen, und dem kollektiven Gefühl der Gleichgültigkeit in Bezug auf Wahlen Einhalt zu gebieten. Dazu müsste man jedoch die Karten auf den Tisch legen, Risiken eingehen, dem billigen Populismus abschwören und weiter als bis zum nächsten Wahltag denken. (Daniel Guzmics, 7.11.2015)