Matthias Hartmann: Wollen wir eine Burg light? Die Kulturpolitiker müssen sich stellen.

Foto: Burg

Lieber Herr Bundespräsident, liebe Frau Bundesministerin, sehr geehrte Politiker und vor allem liebe Zuschauer.

Es waren wundervolle Tage mit diesem Kongress. Das Haus, dieses herrliche Theaterhaus, das Burgtheater, welches jetzt 125 Jahre alt wird, hat Geburtstag. Happy Birthday, altes Haus! Das war ein guter Grund, viel darüber nachzudenken, was wir waren und was wir werden könnten. "Von welchem Theater träumen wir" war der Titel. Dieses Haus ist eine Ikone der Kulturnation Österreichs. Viele berufene Geister und große Theatermacher haben beschworen, was in diesem Haus stattgefunden hat und stattfinden könnte. Das waren drei Tage in diesem Haus, welches immer wieder das Rückgrat des österreichischen Kulturverständnisses bildet.

Ungeheuerliches geleistet

Dieses Haus hat etwas Ungeheuerliches geleistet: Seit 14 Jahren müssen wir immer höhere Personalkosten zahlen, seit 14 Jahren gibt uns niemand das Geld, um das zu leisten. Seit 14 Jahren fangen wir das auf: mit immer höheren Einnahmen und sinkenden Personalkosten. Rechnet man die Einsparungen und die Inflation heraus, stehen dem Burgtheater lediglich 50 Prozent von den Mitteln zur Verfügung, die es noch vor 14 Jahren gehabt hat. Keine Institution der Welt kann das unbeschadet überstehen. Haben wir also ein Haus ohne Zukunft gefeiert? Dieses Theater kann so, wie es heute ist, nicht existieren, ohne mehr Geld auszugeben, als es bekommt. Mit jedem Tag, an dem dieses Theater arbeitet, entstehen Forderungen gegenüber dem Staat, der es erhalten will. Betriebswirtschaftlich gesprochen heißt das: Mit jedem Tag, an dem das Burgtheater so arbeitet, wie Sie, liebe Politiker, es voraussetzen, entstehen Schulden. Dieses Theater, von dem wir träumen, gibt es in Wahrheit nur dann, wenn die Politik dieses Landes sagt, ob sie es so haben will, wie es ist, oder eine abgespeckte Version davon haben möchte. Also: weniger Ensemble, weniger Theater, weniger Programm, kein Kinderstück mehr, kein Akademietheater.

Der Zeitpunkt, an dem das alles nicht mehr finanzierbar ist, der Zeitpunkt, auf den wir immer gewartet haben, ist nicht nur da, er ist unerkannterweise überschritten worden, und es gibt kein Schönreden, kein Aufschieben und keine Tricks, um diesen Zeitpunkt zu kaschieren. Jetzt, nachdem wir alles getan haben, um das Burgtheater zu retten, ist es an der Politik zu entscheiden, wie es in der Zukunft auszusehen hat. Wollen wir eine Burg in der Light-Version? Wie wird diese Burg aussehen? Sollen wir dieses Theater so verändern, dass es gar nicht mehr die Burg ist?

Sie sind jetzt an der Reihe zu entscheiden. Das ist Kulturpolitik. Dieser Aufgabe müssen Sie sich stellen. Wir helfen Ihnen gerne dabei, aber Sie können sich vor dieser Aufgabe nicht drücken. (Matthias Hartmann, DER STANDARD, 15.10.2013)