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Claus Peymann (1986-1999 Burgdirektor): brillantes Entertainment.

Foto: APA/GEORG HOCHMUTH

Wien - Theater sind denkbar ungeeignete Kongresszentren. In ihnen herrscht ein Mangel an Ruhe. Im Inneren eines solchen Gebäudes meint man die Stimmen derjenigen wispern zu hören, die jemals in ihm aufgetreten sind. Der Burg-Kongress Von welchem Theater träumen wir? besaß eine angemessen gespenstische Note. Er trug dem Umstand Rechnung, dass am 14. Oktober vor 125 Jahren das Burgtheater vom Michaelerplatz ins Haus am Ring übersiedelte.

Weil die Gespenster der Vergangenheit sich nur schwer vernehmen lassen, liehen ihnen Burg-Stars unserer Tage die Stimme. Drei Tage lang währte der von Karin Bergmann einberufene Kongress. Als Ort der "Heterotopie" (Foucault) wurde die Burg gewürdigt. Man erwies der "Musenreitschule" allerlei Höflichkeiten. Der aktuelle Direktor Matthias Hartmann wünschte gleich mehrmals "Happy birthday, altes Haus!". Bisweilen fühlte man sich an die Geburtstagsfeier einer wunderlichen Erbtante erinnert.

Wissenschafter wie der Zeithistoriker Oliver Rathkolb erkannten der Burg den Rang einer "österreichischen Meistererzählung" zu. Diese wäre nicht österreichisch, wenn sie nicht alle Unschärfen aufwiese, die eine Identität wie die heimische als extrem gefährdet erscheinen lassen. Die Burg passte sich allen Brüchen geschmeidig an. Es gelang ihren jeweiligen Betreibern sogar, Mimikry an das Kommende zu betreiben. Das meint nicht nur die ruhmlose Übernahme des Hauses durch die Nazis 1938. Das schließt auch die seltsam belanglos wirkenden Formeln vom "ewig jungen Burgtheater", vom "zeitlosen Wunder Burgtheater" ein.

Am Freitag wurden auch einige Säulen der jüngeren Geschichte vor den Vorhang gebeten. Klaus Maria Brandauer dachte nicht im Traum daran, sich seine hintersinnige Begriffstrias "Handwerk Kunst Heiterkeit" von Fragesteller Hermann Beil in Stücke brechen zu lassen. Der Budapester Ex-Intendant Róbert Alföldi zieh die nationalkonservative Regierung seines Heimatlandes der klimatischen Kunst-Beschädigung. Es brauche Foren wie den Wiener Burg-Kongress: "Auswärts wissen wir uns zu benehmen", sagte Alföldy, zu Hause würde man womöglich gegeneinander handgemein.

Der freitägige Abschluss gehörte Claus Peymann. Ohne lästigen Diskussionspartner - André Heller hatte sich krankgemeldet - legte er 13 Rosen auf der Bühne nieder, für jedes seiner Intendantenjahre eine. Er eigne sich nicht für Kongresse. Peymann fasste das Publikum ins Auge und legte los. Er habe keinen Traum für das Burgtheater, seinen habe er ja gelebt ("Manchmal ein Albtraum!").

Noch immer webt Peymann an der eigenen Legende. Durch ihn und mit ihm hielt der Weltgeist Einzug in das alte Gemäuer. Widerspricht ihm jemand, zieht er höflich zurück. Burgdirektoren seien ja immer demontiert worden, "Benning hat Klingenberg weggeputscht". "Das stimmt nicht!", entrüstete sich eine Stimme in den Seitenlogen. Es war Gerhard Klingenberg selbst. Von Peymann sofort auf die Bühne gebeten (" Hoffentlich findet er noch her!"), legte der Vorvorgänger ein Meisterstück hin. Klingenberg mimte eine Beckett-Figur, die in die falsche Komödie geplatzt ist. "Es ist deine Zeit", sagte Klingenberg. "Daher nur noch eine Frage: Wer hat Bernhard ans Burgtheater gebracht?" Sprach es und ließ Peymann verdutzt zurück.

Die sonntägige Abschlussmatinee stand nicht nur im Zeichen von Geldappellen (Hartmann), sie mündete in eine mittägliche Sternstunde. György Konrád umschritt den Begriff Freiheit mit der Umsicht eines Citoyens, der schon zu viel erlebt hat, als dass ihn die aktuelle Entwicklung in Ungarn nicht beunruhigen würde. (Ronald Pohl, DER STANDARD, 14.10.2013)