Jena - Obwohl die Zahl der schwerhörigen Menschen zunimmt und weiter steigen wird, werden Möglichkeiten zur Verbesserung der Hörsituation nicht immer genutzt. Dies ist eines der zentralen Themen der gerade stattfindenden Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Audiologie (DGA).

"Hörverlust muss heute kein Schicksal sein", erklärt Thomas Braunschweig, Tagungspräsident und Experte für Hörhilfsmittel. "Die modernen Hörgeräte und Implantate ermöglichen es uns, über mehrere Stufen individuell angepasst das Hörvermögen wieder herzustellen", so Braunschweig. Auch völlige Taubheit könne mit Hilfe eines Cochlea Implantates oder, in bestimmten Fällen dank eines Hirnstammimplantates, revidiert werden.

Leben mit Einschränkungen

In der Bevölkerung wissen zu wenige über diese Möglichkeiten Bescheid und betrachten das Nachlassen oder den Verlust ihres Hörvermögens als unabänderlich. Viele Patienten leben statt ärztliche Hilfe zu suchen mit Einschränkungen, die mit geringem Aufwand beseitigt werden könnten. Genaue Zahlen sind dazu nicht zu ermitteln, die Audiologen gehen aber von einer großen Dunkelziffer aus.

Etwa 2500 Hörprothesen (Cochlea Implantate) werden nach Schätzungen in Deutschland im Jahr neu implantiert. "Das sind zu wenig, wenn man bedenkt, dass etwa sieben Prozent unserer alternden Bevölkerung bereits jetzt als hochgradig schwerhörig gilt", meint Patrick Zorowka, Präsident der DGA und Leiter der Universitätsklinik für Hör-, Stimm- und Sprechstörungen Innsbruck. Auch innerhalb der Ärzteschaft müsse mehr über die heute existierenden Möglichkeiten informiert werden, damit die Kollegen betroffene Patienten besser unterstützen und im Bedarfsfall an geeignete Zentren vermitteln können.

Hörgerätanpassung erfordert Geduld

Doch nicht nur Unkenntnis ist der Grund für die Zurückhaltung der schwerhörigen Patienten. "In den Hörzentren erleben wir immer wieder, dass Menschen nach einem ersten erfolglosen Versuch mit einem Hörgerät aufgeben und keine Hilfe mehr erwarten", sagt Braunschweig. Ein Umstand, den der Hörakustiker besonders bedauert, hält doch die breite Palette der derzeitigen Möglichkeiten für faktisch jeden etwas bereit. "Eine Hörgerätanpassung ist manchmal aufwändig und erfordert etwas Geduld", sagt Braunschweig. Der Lohn der Mühen sei aber nicht weniger als eine erneute Teilhabe am Leben und an der Umwelt. Der Verlust des Sehens, sagte schon Kant, trennt von den Dingen, der des Hörens trennt von den Menschen. "Nicht zuletzt deshalb ist es seines unserer wichtigsten Ziele, hier mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln zu helfen."

Wie diese Vorhaben künftig umgesetzt werden können, das diskutieren bis zum 12. März mehr als 500 Audiologen aus dem gesamten deutschsprachigen Raum auf der Jahrestagung in Jena unter dem Motto "Lärm und Gehör". Da inzwischen immer häufiger auch Menschen im Erwerbsalter von lärmbedingtem Hörverlust betroffen sind, stehen dabei vor allem Strategien für die Wiederherstellung der Erwerbsfähigkeit im Zentrum des Interesses der Hörexperten. (red)