Interregnumsintendant Sven-Eric Bechtolf.

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Ein paar Tage noch, und Sven-Eric Bechtolf hat sein zweijähriges Interregnum als Intendant der Salzburger Festspiele hinter sich: weitgehend frei von Kanten und Ecken, mit einigen Höhepunkten und mitunter so harmlos, wie Shakespeares "Sturm" in der Inszenierung von Deborah Warner über die Perner-Insel wehte. Sicher, Bechtolfs Rolle als Notnagel nach dem quirligen Alexander Pereira, den das Kuratorium vorzeitig nach Mailand expediert hat, ist ebenso unattraktiv wie jene als Platzhalter für Markus Hinterhäuser, der zuerst seinen Job als Wiener Festwochenintendant abdienen musste, ehe er nächstes Jahr endlich am Ziel seiner beruflichen Ambitionen angelangt sein wird.

Erste wohldosierte Indiskretionen über dessen opulente Pläne sind bereits in die Öffentlichkeit getröpfelt. Dass er sie tatsächlich verwirklichen kann, ist auch Bechtolf zu verdanken, der als Schauspielchef gemeinsam mit Pereira 2012 nach Salzburg kam und den Job des Intendanten wohl nie angestrebt hatte. Denn Bechtolf war das personifizierte Sparprogramm, er hielt das (verringerte) Budget mit eiserner Disziplin ein. Wobei erschwerend dazukam, dass sich mit Pereiras Abgang einige Sponsoren verabschiedet hatten und Programmschienen wie das Young Directors Project ersatzlos gestrichen werden mussten.

Als Intendant und Schauspielchef in Personalunion sowieso schon ziemlich gefordert, nahm Bechtolf geradezu hyperaktiv zusätzlich noch allerhand andere künstlerische Vollzeitjobs an und auf sich: Er inszenierte die Da-Ponte-Opern weiter und spielte heuer auch noch den nicht gerade textarmen "Doktor" in Thomas Bernhards aberwitziger Theatersuada "Der Ignorant und der Wahnsinnige", seine vielleicht beste Leistung der letzten Jahre – und eine würdige und vor allem anspielungsreiche Abschiedsvorstellung seiner Salzburger Jahre. Auch Becketts – von Altstar Dieter Dorn vom Blatt inszeniertes – "Endspiel" mit den Publikumslieblingen Nicholas Ofczarek und Michael Maertens könnte als Anspielung auf Bechtolfs eigenes Ende gesehen werden.

Und selbst wenn nicht alles glänzte, was Bechtolf festspielmäßig aufpolierte: Den Bühnen- und Kostümbildner Reinhard von der Thannen als Regisseur für Gounods "Faust" zu verpflichten war eine seiner spannenderen Mutproben. Auch dass er dem lettischen Regisseur Alvis Hermanis die Treue hielt, der seit seiner Kritik am "Refugee-Welcome-Getue" (O-Ton Hermanis) als Gottseibeiuns des deutschen Theaters gilt, zeugt von Rückgrat. Dass Hermanis mit seiner eskapistischen Interpretation von Strauss' "Die Liebe der Danae" ganz nebenbei die allgemein geübte Ausstattungsopulenz auf Opernbühnen wie einen Esel vorführte, war ein durchaus nachdenklich machender Nebeneffekt.

Ob man auch diesen Sommer, wie im Vorjahr, 35 Stunden lang applaudiert haben wird? Das steht noch in den Sternen – und vermutlich bald in der Presseaussendung der Salzburger Festspiele: der letzten, die Bechtolfs Wirken in Zahlen ausdrückt. (Andrea Schurian, 22.8.2016)