Wien – Abgesprochen war die Ansage des Finanzministers mit Ländern, Gemeinden und dem Koalitionspartner SPÖ nicht: In seiner ersten Budgetrede plädierte Hans Jörg Schelling (ÖVP) am Mittwoch für die Einführung einer "Abgabenbremse" in der Verfassung. Diese solle für alle Gebietskörperschaften – also Bund, Länder und Gemeinden – gelten, so der Minister.

Explizit sprach sich Schelling im STANDARD-Interview dafür aus, dass Gebühren maximal mit der Inflation steigen dürfen. Der Vorschlag gelte aber generell für Abgaben, worunter im Finanzministerium auch zahlreiche Steuern verstanden werden (eine Auflistung gibt es hier).

"Undenkbar"

Was aber sagen die potenziell Betroffenen zu dem Vorschlag? Für Gemeindebund-Präsident Helmut Mödlhammer (ÖVP) ist eine Abgabenbremse in der Verfassung "undenkbar, das wäre ein Anschlag auf die Gemeinden und eine Entmündigung", so Mödlhammer im Gespräch mit dem STANDARD. "Es gibt klare Rechte und Pflichten für die Gemeinden, die sind autonom zu behandeln." Schelling richtet er aus: "Ich schreibe dem Bund ja auch nicht vor, welche Abgaben er erhöhen soll."

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Die Gemeinden wollen selber entscheiden, wofür sie ihr Geld ausgeben.
Foto: APA/HERBERT P. OCZERET

"Klassischer Widerspruch"

Mödlhammer verweist auch darauf, dass man in den Gesprächen über den neuen Finanzausgleich gerade diskutiere, ob Länder und Gemeinden mehr Steuerautonomie bekommen sollen. "Wenn ich dann sage, ich schränke das wieder ein, ist das ein klassischer Widerspruch." Die Mehrzahl der Kommunen gehe bei Abgaben und Gebühren bereits maßvoll vor – außerdem müssten sie sich vor den Gemeindebürgern "auch verantworten".

Auch Niederösterreichs Finanzlandesrat Wolfgang Sobotka – wie Mödlhammer ein Parteikollege Schellings – hält nichts vom Vorschlag des Finanzministers. Er ist wiederholt als Schelling-Kritiker aufgetreten und legte am Donnerstag nach: Die Vorgangsweise bei der Hypo-Bad-Bank Heta habe bereits "Köpfschütteln" an den Finanzmärkten ausgelöst, Länder und Gemeinden werde "Schaden zugefügt".

"Ein Kuriosum"

Zum aktuellen "Ratschlag aus der Zentrale" sagt er: "Bei allem Verständnis für die Nöte des Bundes – angesichts der aktuellen Situation ist dieser Vorschlag ein Kuriosum." Sobotka verweist auch darauf, dass der Bund für den Großteil der Staatsschulden verantwortlich sei. Und, so der Landesrat: "Föderale Staaten haben gemessen am BIP nur halb so hohe Verwaltungskosten wie zentralistische Staaten."

Ein Blick in die Statistik zeigt: Die gesamtstaatliche Schuldenquote lag im Vorjahr bei 84,2 Prozent der Wirtschaftsleistung (BIP) – sie setzt sich folgendermaßen zusammen.

In absoluten Beträgen war der Bund zuletzt für 242,9 von insgesamt 277,4 Milliarden an Schulden verantwortlich. An der Zusammensetzung hat sich über die Jahre nur wenig geändert, wie diese Grafik zeigt.

"Bei sich selber anfangen"

Ähnlich sieht man das im SPÖ-regierten Burgenland. "Der Bund sollte bei sich selber anfangen", heißt es im Büro von Finanzlandesrat Helmut Bieler. "Wenn der Schuldentreiber verlangt, die anderen sollen sparen, verstehen wir diesen Ansatz nicht ganz." Im Büro von Wiens Finanzstadträtin Renate Brauner wiederum heißt es, dass in Wien die Gebühren ohnehin nur entsprechend der Inflation angehoben würden. "Das ist schon seit Jahren so geregelt."

Am Mittwoch hatte sich bereits SPÖ-Finanzsprecher Kai Jan Krainer irritiert über Schelling gezeigt. Vor allem, weil dieser die Abgabenbremse mit der im Sommer bereits versprochenen Abschaffung der kalten Progression (die schleichende Steuererhöhung durch die Inflation) verknüpft hatte. Er fände es schade, wenn Schelling seine Zusage wieder zurückziehe, sagte Krainer. (Günther Oswald, 15.10.2015)