Nun gibt es sie also auch in Österreich. Die Apple Watch ist längst nicht die erste Smartwatch und auch nicht die, die am meisten kann. Dennoch ist sie für viele der Maßstab. Das liegt einerseits daran, dass die Erwartungen an Apple-Produkte nach iPhone und iPad sehr hoch sind. Andererseits verkauft der Konzern nicht nur iGadgets, sondern mehr als viele andere Hersteller auch Lifestyle – von den Macs der Kreativbranche bis hin zu den weißen Kopfhörern, die vor einigen Jahren einen regelrechten Hype ausgelöst haben. Glaubt man Herstellern und Branchenanalysten, sind Smartwatches und andere Wearables das nächste große Ding. Als Konsument beschleichen einen Zweifel. Braucht man sowas? Und wenn ja, wofür eigentlich? Der WebStandard versucht im Test der Apple Watch eine Antwort zu finden.

Das Lieblingsziffernblatt der Redaktion: Mickey Mouse.
Standard/Riegler

Die Funktionen

Beim Versuch, sich einen prominenten Platz am Handgelenk der Menschen zu verschaffen, hat Apple viele Funktionen in seine Uhr gepackt, gleichzeitig aber noch viele Möglichkeiten ausgespart.

Das ist mit der Uhr und WatchOS 2 möglich:

  • Uhrzeit, Datum und weitere Infos auf personalisierbaren Ziffernblätter anzeigen.
  • Benachrichtigungen von iPhone und kompatiblen Drittanbieter-Apps anzeigen.
  • Zusätzliche Apps installieren: Inzwischen gibt es rund 10.000 kompatible Anwendungen.
  • Auf Anrufe dank Mikrofon und Lautsprecher direkt antworten.
  • Kontakten einen vordefinierten bzw. diktierten Text oder ein Emoji schicken und sie direkt anrufen.
  • Auf Mails mit vordefinierter Nachricht, Emoji oder diktiertem Text antworten.
  • Zeichnungen, eine Vibration am Handgelenk (Tap) oder den eigenen Puls an Freunde mit Apple Watch schicken.
  • Apps auf dem iPhone – beispielsweise Musik und Kamera – und Apple TV fernsteuern.
  • Musik und Fotos auf der Uhr speichern: Apple hat 8 GB Speicher verbaut von dem maximal 2 GB für Musik reserviert sind. Bei Fotos liegt die Grenze bei 500 Bildern.
  • Die Sprachassistentin Siri für bestimmte Abfragen und Aktionen nutzen.
  • Die Uhr mit bekannten WLANs auch ohne iPhone in der Nähe automatisch verbinden.
  • Aktivitäten wie zurückgelegte Schritte sowie Details verschiedener Fitness-Apps messen und anzeigen.
  • Die Herzfrequenz messen: Dabei wird mit grünen LEDs auf der Rückseite der Uhr die Menge an Blut gemessen, die durch die Adern fließt. Bei Menschen mit dunkler Hautfarbe oder Tattoos funktioniert das allerdings nicht so gut.

Das funktioniert nicht:

  • Ohne iPhone in der Nähe oder WLAN-Verbindung Funktionen wie Telefonie, Siri oder generell Internet-basierte Apps benutzen.
  • Ohne gekoppeltes iPhone eine zurückgelegte Strecke beim Joggen aufzeichnen: Apple hat keinen GPS-Sensor verbaut.
  • Die Watch mit Android- oder Windows Phone-Geräten nutzen: Voraussetzung ist zumindest ein iPhone 5 mit iOS 8.2.
  • Die Uhr mit mehreren iPhones oder iPads nutzen: sie kann immer nur mit einem Gerät gekoppelt werden. Die einmalige Einrichtung kann mehr als zehn Minuten dauern. Nach Zurücksetzung ist die Koppelung mit einem anderen iPhone möglich.
  • Die Apple Watch mehrere Tage ohne Aufladen verwenden: bei intensiver Nutzung hält sie nur wenige Stunden. Wird sie kaum verwendet, gehen sich knapp zweieinhalb Tage aus. Die Laufzeit im Alltag liegt irgendwo dazwischen, Apple gibt 18 Stunden an.
  • Diskret telefonieren: das Gerät gibt Ton über einen Lautsprecher wieder.
  • Die Uhr beim Schwimmen tragen: Die Apple Watch ist nach IPX7 zertifiziert. Das heißt, sie ist gegen Spritzwasser (z.B. Regen) resistent, sollte aber nicht untergetaucht werden.

Der praktische Nutzen

All das kann ein Smartphone auch, besser und noch mehr. Bei den meisten Funktionen muss man ohnehin ein iPhone dabei haben. Natürlich bietet die Uhr auch einige sehr praktische Features. So kann man beispielsweise bei einem Anruf in einer unpassenden Situation einfach die Handfläche auf das Display der Uhr legen und schon sind Watch und iPhone still. In einem Meeting oder im Restaurant einem Anrufer per Fingertipp am Handgelenk schnell mitzuteilen, dass man gerade nicht abheben kann, ist auch diskreter als das Smartphone hervorzuholen.

Für die Smartwatch gibt es laut Apple bislang rund 10.000 kompatible Apps.
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Auf der Rückseite ist ein Sensor zur Herzfrequenzmessung integriert.
Foto: Standard/Riegler

Für Menschen, die auf ihre Fitness achten wollen, ist es praktisch, zurückgelegte Schritte im Blick zu haben oder sich bei zu langem Sitzen daran erinnern zu lassen, dass man sich wieder etwas bewegen sollte. Sobald Apple Pay in Österreich verfügbar ist, wird man dank NFC auch mit der Uhr bargeldlos bezahlen können. Mit der österreichischen App Bluecode ist das schon jetzt in mehreren Geschäften möglich, hier wird allerdings ein Barcode anstatt NFC verwendet. Auch andere Apps wie Navigations-Anwendungen sind praktisch. Aber will man dafür wirklich nochmal 399 Euro – so viel kostet das günstigste Modell bei Apple – ausgeben?

Eine Frage des Geschmacks

Die Antwort auf die Frage gibt Apple eigentlich bereits selbst. Die Apple Watch wird nicht in erster Linie als nützliches und notwendiges Gadget beworben, sondern als modisches Accessoire. "Unser bisher persönlichstes Produkt", verkündete CEO Tim Cook schon bei der Präsentation. Die Uhr gibt es in zwei Größen, drei Editionen mit Gehäuse aus Aluminium, Edelstahl oder Gold, in verschiedenen Farben und mit unterschiedlichen Armbändern aus Kunststoff, Leder und Metall. Die Armbänder können über eine simple Mechanik per Knopfdruck gewechselt werden. Apple möchte natürlich vorrangig die eigenen Kollektionen verkaufen. Mittels Adapter kann man aber auch andere Armbänder verwenden.

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Die Uhr gibt es in drei verschiedenen Editionen – hier zu sehen die Gold-Variante, die es nicht überall gibt.
Foto: REUTERS/Chaiwat Subprasom

Interessierte Kunden können in allen Verkaufsstellen verschiedene Modelle anprobieren und sich die Funktionen von eigens geschulten Verkäufern zeigen lassen. Nur die teuersten Watches mit Gold-Gehäuse um bis zu 18.000 Euro gibt es nicht überall. Die Funktionen sind übrigens bei jedem Modell gleich.

Apple bietet viele Ziffernblätter, die sich auch anpassen lassen. Leider sind sie aber die meisten Zeit nicht zu sehen, da sich das Display bei Inaktivität nach wenigen Sekunden ausschaltet.
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Mickey in Aktion.
Gif: Standard/Riegler

Für das Display gibt es eine große Auswahl an Ziffernblätter, die sich mitunter auch noch stärker anpassen lassen. Teilweise kann man die Farben ändern. Und über sogenannte Komplikationen können Zusatzinfos wie Datum, Mitteilungen, Mondphasen, Uhrzeit in anderen Städten, Termine und mehr am Ziffernblatt angezeigt werden. Dabei können die Nutzer selbst wählen, in welcher Ecke der Uhr welche Information zu sehen ist.

Einschränkungen

Das mag nach abenteuerlich vielen Optionen klingen. Seinen persönlichen Stil kann man damit letztendlich aber nur bis zu einem gewissen Grad ausdrücken. So bleibt das Display die meiste Zeit eine schwarze, leere Fläche. Die Ziffernblätter werden nur angezeigt, wenn die Uhr aktiv genutzt und etwa der Arm hochgehoben wird. Das hat einen triftigen Grund: denn das aktive Display zehrt am meisten am Akku. Ansichten wie die swingende Mickey Mouse, kurze Zeitraffer-Videos, klassische Chronografen-Designs oder andere Animationen würden sich bei ständiger Anzeige zwar hübscher machen, den Akku aber wohl in unter einer Stunde leeren.

Das Gehäuse ist gut verarbeitet, im Vergleich zu neueren Modellen der Konkurrenz aber etwas plump.
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Das Armband der Sport-Edition. Über einen simplen Klickmechanismus kann es getauscht werden.
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Außerdem erinnert das Design der Apple Watch optisch doch noch stärker an die Smartwatches der ersten Generation als an "echte" Uhren. Das Gehäuse ist zwar sehr gut verarbeitet und fühlt sich angenehm abgerundet auf der Haut an. Die rechteckige Form wirkt im Vergleich zu den runden Modellen der Konkurrenz – etwa der neuen Samsung Gear S2 oder Pebbles kürzlich angekündigter Time Round – doch plumper. Eine Vermutung: eine der kommenden Generationen der Apple Watch wird ebenfalls rund.

Und nicht zuletzt stellt sich die Frage, wie lange die Apple Watch hält. Bei den günstigeren Modellen wird es eher verschmerzbar sein, wenn die Technik und vor allem der Akku nach ein paar Jahren versagen. Aber wer will mehrere Tausend Euro in so ein Produkt investieren?

Kaufen: Yay oder nay?

Es ist weniger die Frage, ob man die Funktionen der Smartwatch unbedingt benötigt, sondern eher ob sie einem gefällt. In erster Linie ist sie ein modisches Accessoire, in zweiter Linie spielt sie noch einige Zusatzstückerl. Dafür kann man je nach Geschmack und Kontostand zwischen 399 und 18.000 Euro ausgeben. Bei begrenztem Budget sind günstigere Modelle anderer Hersteller für den Einstieg besser geeignet – beispielsweise die Pebble Time Round, die im November auf den Markt kommt.

Gefällt die Apple Watch nicht, bietet die Konkurrenz ab Herbst interessante neue Modelle: zum Beispiel Samsung Galaxy Gear S2, mit der man auch ohne Smartphone telefonieren kann, die Huawei Watch oder Motorolas zweite Moto 360. Alle lassen sich mit Android und bis auf die Gear S2 auch mit iPhones nutzen. Wer ein paar Tausender übrig hat und diese in eine Uhr investieren will, mag mit einem echten Chronographen, der auch als Wertanlage gilt, derzeit auch besser beraten sein. Und für alle, bei denen Geld keine Rolle spielt oder denen die Apple Watch einfach gefällt: Go for it! (Birgit Riegler, 30.9.2015)