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Formal befindet sich Israel mit Syrien im Kriegszustand. Wirklich involviert in Kämpfe will man nicht werden.

Foto: EPA/ATEF SAFADI

Mit dem am Wochenende beiläufig geäußerten Vorschlag, dass Israel "eine kleine Gruppe von Flüchtlingen" aus Syrien aufnehmen solle, hat Oppositionschef Jizchak Herzog eine Debatte ausgelöst. Die israelischen Medien berichten zwar ausführlich über die Flüchtlingskatastrophe in der Region und die Auswirkungen in Europa, doch im Unterschied zu Syriens anderen Nachbarländern Jordanien, Libanon und Türkei war die Aufnahme von Flüchtlingen in Israel bisher nicht einmal angedacht worden. Vor allem deswegen, weil sich Israel mit Syrien formal im Kriegszustand befindet.

Premier Benjamin Netanjahu blockte beim Ministerrat sofort ab: "Israel ist ein sehr kleines Land, dem demografische und geografische Tiefe fehlt, und deshalb müssen wir unsere Grenzen kontrollieren, sowohl gegen illegale Migranten als auch gegen Terrorismus."

Versorgung Verwundeter

In mehreren Interviews setzte Herzog nach und mahnte eine "moralische Haltung" ein: "Ihr habt vergessen, was es heißt, Juden zu sein, verfolgt zu sein, ein Flüchtling, hilflos", so der Vorsitzende der Arbeiterpartei. Aber von Regierungspolitikern wurde der Vorschlag als unrealistisch abgewiesen. Auch der liberale Exminister Yair Lapid meinte, dass "Israel es sich leider nicht leisten kann (...). Israel hat sich bemüht, nicht in die Ereignisse in Syrien verwickelt zu werden, also sollen wir eine Hintertür öffnen, die uns in diesen Krieg verwickelt?"

Netanjahu verwies auch darauf, dass Israel "schon rund 1000 verwundete Menschen von den Kämpfen in Syrien behandelt" habe. Seit gut drei Jahren werden nämlich regelmäßig schwer verletzte Syrer – sowohl Frauen und Kinder als auch Kämpfer – in israelischen Spitälern versorgt. Sie gelten aber nicht als Flüchtlinge, sondern kehren nach der oft wochenlangen Behandlung zurück.

Die Aktionen werden diskret abgewickelt, damit die Patienten nach der Heimkehr aus dem verhassten Feindesland Israel nicht gefährdet sind. Zudem will sich Israel nicht dem Vorwurf aussetzen, Partei ergriffen zu haben. Im vergangenen Juni haben Dutzende Golan-Drusen einen Syrer aus einer israelischen Rettung gezogen und gelyncht. Die Drusen sind fast durchwegs Assad-treu und verdächtigen Israel, die Rebellen zu unterstützen.

Grenzzäune

Mit rund 50.000 Schwarzafrikanern, die über Ägypten illegal eingewandert sind, hat Israel indessen schon seit Jahren ein Problem. Sie wurden hereingelassen, man kümmert sich aber nicht weiter. Asylprüfverfahren wurden erst 2013 ermöglicht und schleppend abgewickelt. Seit Ende 2012 ein mehr als 200 Kilometer langer Zaun zu Ägypten fertig gestellt wurde, kommen keine Flüchtlinge mehr nach. Mit dem Bau eines ähnlichen Zauns wurde nun auch an der jordanischen Grenze begonnen – wegen der Sorge, dass auch Jordanien vom Chaos erfasst werden könnte. (Ben Segenreich aus Tel Aviv, 8.9.2015)