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Auch vergangenen Donnerstag wurden am Wiener Westbahnhof Flüchtlinge von der Polizei aufgegriffen.

Foto: APA/HERBERT NEUBAUER

Liebe Frau Innenministerin Mikl-Leitner, um exakt zehn Uhr bestieg ich am Samstag mit meiner kleinen Tochter in Meidling den Railjet 60. Der kommt von Budapest und fährt nach München. Der erste Halt: Wien Westbahnhof. Dann: 45 Minuten gewartet. Warum? "Polizeieinsatz".

Ihre Kollegen haben den Zug durchkämmt nach Flüchtlingen. Jeder, der so ein bisschen ausgesehen hat, als käme er aus dem Mittleren Osten, wurde rausgezupft.

Da standen sie dann am Bahnsteig, Menschen, die schon Unfassbares durchgemacht hatten. Familien mit kleinen Kindern. Alle geduldig, schicksalsergeben. Haben sich dort hingestellt, wo Polizei und ÖBB-Securitys sie haben wollten. Kein Widerstand. Und das Beklemmende: auch ziemlich wenig Hoffnung oder Zuversicht.

Kein freundliches Wort

Aber jetzt kommt's: Ihre Polizisten, liebe Frau Innenministerin Mikl-Leitner, hatten zumindest in unserem Abteil kein einziges freundliches Wort für diese Menschen übrig. Die haben die nur angeblafft, als wären sie irgendwelche Betrunkenen, die was angestellt hätten. Kein Bitte. Kein Danke. Geschweige denn, dass sich einer von ihnen die Mühe gemacht hätte, sich die zwei Zauberwörter "Bitte" und "Danke" auf Farsi oder Arabisch anzueignen. Am Bahnsteig dann wurde überhaupt nur noch gepfiffen, als wären die Menschen dort Hunde.

Ich kann mir schon vorstellen, dass jeder "Zugriff" an einem Samstag ein bisserl "mühsam" ist. Ich lasse sogar gelten, dass manche der Kollegen den rüden Ton für verpflichtend halten bei jeder "Amtshandlung": Es ist ja nicht so, dass ich bessere Erfahrung mit der Polizei gemacht hätte – und ich komme aus dem relativ nahen Osten, nämlich aus Floridsdorf.

Keinen Respekt

Aber hier geht es um mehr. Hier geht es darum, Menschen wie Menschen zu behandeln. Und nicht wie Abschaum. Und falls die Weisung an Ihre Beamten lauten sollte, "die bescheuerten Wirtschaftsflüchtlinge schon allein wegen der Abschreckung so zu behandeln", dann gebe ich zwei Dinge zu bedenken:

1. Die Polizisten wussten, dass es Kriegsflüchtlinge waren. Gingen durch das Abteil und fragten konkret nach Leuten aus Afghanistan, Syrien, Irak und Iran. Also muss ihnen klar gewesen sein, dass diese Menschen vor Krieg und verrückten Fanatikern fliehen.

2. Das mit der Abschreckung, liebe Frau Innenministerin, das hat super geklappt. Meine fünfjährige Tochter hat aus dem Fenster gesehen, auf die Szenen am Bahnsteig, und hat mich gefragt: "Wer sind diese bösen Menschen?" Und hat dabei nicht auf die Flüchtlinge gezeigt.

Shukran, danke! (Helge Haberzettl, 24.8.2015)