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Wartenummern für die Pensionisten: Ein Bankangestellter in Athen versucht, Ordnung in die Warteschlangen zu bringen. Im Allgemeinen verlief die Bankenöffnung aber sehr ruhig. Das Limit für Bargeldbehebungen liegt für die Griechen bei 420 Euro in der Woche.

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Maria Michaleli würde gern einfach nur wieder arbeiten können.

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Die Schalterhalle sieht eher aus wie ein überfüllter Hörsaal. Man sitzt auf den Sesseln der Bankberater, auf den Stufen der Wendeltreppe zum ersten Stock, die Plätze auf den Wartebänken sind sowieso alle besetzt. "Ich werde noch wahnsinnig", sagt ein Mann in aller Ruhe, der am anderen Ende der Schlange steht und am ersten Tag der Bankenöffnung in Griechenland gern nur täte, was man den Griechen aus Berliner oder Brüsseler Sicht gemeinhin nicht zutraut: seine Einkommensteuer bezahlen.

Vielen geht es so am Montag, nach drei Wochen Bankenschließung. Die Einkommensteuer, deren Frist Mitte Juli ablief, wollen sie begleichen oder einen Scheck einlösen, der auf dem Schreibtisch liegengeblieben ist. "Ich möchte wieder in meinen normalen Rhythmus hineinkommen", sagt Lia Lemou, als sie aus einer Filiale der Alpha-Bank im großen Athener Vorort Halandri tritt. Nur viel Hoffnung macht sie sich noch nicht. Die Kapitalkontrollen in Griechenland sind weiterhin in Kraft.

Halb richtige Ankündigung

Aber auch die Ankündigung von gelockerten Regeln bei der Bargeldabhebung, die nun gelten würden, erweist sich nur als halb richtig, wie Frau Lemou feststellt. Die Steuerberaterin konnte auch am Montag nur 60 Euro abheben. Morgen sollen es angeblich 120 Euro sein, und bis zum Wochenende maximal 420. "Meine Kunden können mich nicht bezahlen, weil sie wiederum von ihren Kunden nichts erhalten", berichtet Frau Lemou. "Es ist eine Kettenreaktion."

4,2 Milliarden Euro hat Athen am Montag fristgerecht an die Europäische Zentralbank zurückgezahlt; zwei weitere Milliarden Euro, die Griechenland im Juni erstmals schuldig geblieben war, gingen an den Internationalen Währungsfonds. Damit hat die Regierung von Alexis Tsipras den "Brückenkredit" von 7,16 Milliarden Euro, den sie am selben Tag vom Eurorettungsschirm erhielt, schon fast aufgebraucht.

Dennoch sollen Bankenöffnung und Schuldenrückzahlung die Normalisierung in Griechenland zeigen. Der Ansturm auf die Geldinstitute hielt sich auch sehr im Rahmen. Größeren Andrang gab es lediglich in der Nationalbank, der wichtigsten der vier großen griechischen Banken und nicht zu verwechseln mit der Zentralbank Griechenlands. In der Nationalbank sind viele ältere Griechen Kunden, die dort ihre Pensionen beziehen und keine Bankkarten mit Internetzugang haben.

Sparen an den Arbeitslosen

Auch Sozialleistungen werden von der Nationalbank ausbezahlt. Aber auch hier sind die Kapitalkontrollen zu spüren, wie eine arbeitslose Mutter vor einer Filiale in Halandri feststellen muss. Lediglich 360 Euro im Monat stehen Maria Michaleli, einer Sprachlehrerin, als Arbeitslosenunterstützung zu. Ausbezahlt werden ihr aber nur 120 Euro, solange die Kapitalkontrollen in Kraft sind. "Wir haben drei, vier große Rechnungen zu Hause", erzählt die 34-Jährige, "Stromrechnungen von 100 Euro und anderes. Wie sollen wir das bezahlen?" Die Arbeitslosigkeit mache sie wütend, sagt Maria Michaleli. "Wir sind junge Leute hier. Wir haben Lust zu arbeiten, aber es gibt nichts mehr."

Zwei Studentinnen, die weiter oben in der Gasse vor dem Geldautomaten einer anderen Bank warten, äußern sich ähnlich frustriert. Die Bankenöffnung sei ihr ziemlich egal, sagt Irin, eine angehende Optikerin. "Arbeit finde ich jetzt sowieso nicht. Sie hebt Geld für ihren Vater ab, ebenso wie Ourania, ihre Freundin, eine Medizinstudentin. Deren Vater hatte in der vergangenen Woche keine Patienten mehr in seiner Praxis. Niemand habe mehr ein Arzthonorar zahlen können, erzählt Ourania.

Eigensinnige im Kabinett

Alexis Tsipras bildete vergangenen Freitag seine Regierung um, entschied sich aber nicht für Technokraten mit Erfahrung, sondern brachte weitere, als sprunghaft und eigensinnig geltende Persönlichkeiten ins Kabinett: den Arzt Pavlos Polakis aus Kreta etwa, der nun stellvertretender Innenminister und verantwortlich für Verwaltungsreformen ist; oder den für seine Komikrollen bekannten Schauspieler Pavlos Haikalis, der den Unabhängigen Griechen angehört, dem rechtspopulistischen Koalitionspartner. Haikalis soll als Vizeminister die Reform der Sozialversicherungen leiten. Ihm übergeordnet ist nun Giorgos Katrougalos, ein Anwalt und Bürgerrechtler. (Markus Bernath aus Athen, 20.7.2015)